In einem gemeinsamen Projekt entwickeln 18 Partner neuartige Typen des Biokunststoffs Polybutylensuccinat, damit er für mehr Anwendungen eingesetzt werden kann. Zusammen mit Polifilm Extrusion hat das Fraunhofer IAP ein erstes marktfähiges Produkt entwickelt.
Trotz des hohen Potenzials gibt es eine Reihe von Faktoren, die Firmen davon abhalten, ihre Produkte aus Biokunststoffen herzustellen: Weltweit gibt es nur wenige Hersteller, die Biokunststoffe auf dem Markt anbieten. Für Kunststoffverarbeiter verursacht das Probleme bei der Versorgungssicherheit, höhere Kosten sowie eine zu geringe Auswahl an verschiedenen Typen von Biokunststoffen, um die Vielzahl möglicher Anwendungen zu realisieren. Außerdem gibt es technischen Verbesserungsbedarf und oft ist nicht klar, für welche spezifischen Anwendungen sich Biokunststoffe eignen. Schließlich werden Biokunststoffe aktuell häufig aus Zuckerrohr und Mais hergestellt – also potenziellen Nahrungs- oder Futtermitteln, was eine „Tank-oder-Teller“-Diskussion aufbringen könnte.
Der Entwicklungsbedarf in diesem Bereich ist also groß. Expertinnen und Experten vom Fraunhofer IAP, Potsdam-Golm, gehen diese Hürden gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie im vom BMBF geförderten Projekt „Regionales unternehmerisches Bündnis zum Aufbau von Wertschöpfungsketten für technische Biokunststoffe in Mitteldeutschland“, kurz RUBIO, an. Dipl.-Ing. Thomas Büsse, der bei RUBIO das Verbundprojekt „Verarbeitung“ koordiniert und das Verarbeitungstechnikum Biopolymere Schwarzheide in Brandenburg des Fraunhofer IAP leitet, erklärt: „Je nach Anwendung bzw. Verarbeitungsverfahren muss der eingesetzte Kunststoff hart oder weich, vielleicht auch zähfließend oder dünnflüssig sein. Bisher gibt es auf dem Markt aber nur drei PBS-Typen, und diese eignen sich lediglich für eine eingeschränkte Zahl an Verarbeitungsverfahren und Anwendungen.“ Daher entwickelt das Team der Abteilung „Polymersynthese“ von Dr. Antje Lieske am Fraunhofer IAP in Potsdam ganz neue Typen von PBS, die mit einer deutlich breiteren Palette an Verfahren verarbeitet werden können – vom Blasformen bis zum Spritzgießen. Somit vergrößert das Forschungsteam auch das Portfolio an möglichen Anwendungen.
Verarbeitbarkeit im Fokus
Das Know-how der Polymerspezialistinnen und -spezialisten am Fraunhofer IAP geht dabei deutlich über die reine Entwicklung von Syntheseverfahren für neue Biokunststofftypen hinaus. Im Synthesetechnikum des Fraunhofer-Pilotanlagenzentrums für Polymersynthese und –verarbeitung PAZ in Schkopau überführt das Team um Dr. Ulrich Wendler, Leiter der Abteilung „Synthese und Produktentwicklung“ am Fraunhofer IAP, die Ergebnisse aus Labor und Technikum in den industrienahen Pilotmaßstab. Die Frage, wie die neu entwickelten Kunststofftypen und -mischungen thermoplastisch verarbeitet werden können, wird im Verarbeitungstechnikum intensiv untersucht. Hier werden auch die Tests zur Bioabbaubarkeit, Bedruckbarkeit, Siegelfähigkeit oder Maschinengängigkeit durchgeführt – Kriterien, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Wunsch des Kunden individuell einstellen können. Auch die Recyclingfähigkeit wird im RUBIO-Konsortium getestet.
PBS-Folie für Versandtaschen
Einen ersten Erfolg kann das Fraunhofer IAP im Rahmen des RUBIO-Projekts gemeinsam mit der Polifilm Extrusion GmbH, Weißandt-Gölzau, verzeichnen. Das Unternehmen produziert auf über 80 Extrusionsanlagen Kunststofffolien für unterschiedliche Anwendungen in der Verpackung-, der Bau-, Agrar- und Automobilbranche und anderen Bereichen. Die Partner haben eine PBS-Folie entwickelt, die für Versandtaschen eingesetzt werden kann. „Diese Kooperation ist ein wichtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und ermöglicht uns, Produkte anzubieten, die aus regionalen Reststoffen hergestellt wurden, die recyclingfähig und bei Verlust in die Umwelt biologisch abbaubar sind. Ein weiterer Vorteil ist die Verarbeitung auf gängigen Extrusionsanlagen, wodurch dem Siegesweg der PBS-Materialien nichts mehr entgegensteht“, erklärt Tobias Otto, Projektmanager R&D bei Polifilm Extrusion.Basis regionale pflanzliche Reststoffe
Die Entwicklung der neuen PBS-Folie geht noch weiter, denn bis jetzt basiert der Biokunststoff noch nicht auf regionalen Rohstoffen. Doch das wird sich im weiteren Verlauf der Kooperation ändern. Pflanzliche Reststoffe aus der Region sollen künftig der Rohstoff sein. „Grundsätzlich können alle Materialien verwertet werden, die Cellulose oder Lignocellulose enthalten. Dazu zählen u. a. nicht verrottende Gärreste aus Biogasanlagen, in vielfältiger Form anfallende Reste aus landwirtschaftlichen Betrieben oder theoretisch sogar Abfälle aus der Papierproduktion“, erklärt Thomas Büsse. Idealerweise hat die Verwendung regionaler Reststoffe langfristig einen weiteren Vorteil: Kürzere Transportwege können zu geringeren Preisen und zu mehr Nachhaltigkeit der produzierten Kunststoffprodukte führen.