Einem Team des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP ist es gelungen, ein flexibles und recycelbares Folienmaterial auf Basis des eigentlich spröden Biokunststoffs Polylactid zu entwickeln und dessen Kommerzialisierung zu ermöglichen.
Im Kontext der Nachhaltigkeit von Kunststoffmaterialien spielen Recycling und Defossilisierung eine entscheidende Rolle. Idealerweise können Kunststoffe nach ihrer Nutzung in ihre Grundbausteine zerlegt und daraus neue Kunststoffe mit gleichen Eigenschaften hergestellt werden. Doch im Kreislauf von Herstellung, Nutzung und Wiederverwendung entstehen Materialverluste. „Für eine zunehmend zirkuläre Ökonomie müssen diese durch nicht-fossile Rohstoffe ausgeglichen werden. Dies ist jedoch nicht ganz einfach, denn meist gibt es für fossile Kunststoffe keine biobasierten Analoga mit den gleichen Materialeigenschaften“, erklärt Dr. Antje Lieske, Leiterin der Abteilung Polymersynthese am Fraunhofer IAP im Potsdam Science Park. „Durch Zusatz von verschiedenen Additiven können diese Eigenschaften zwar verbessert werden, die Zuschlagstoffe stören allerdings im weiteren Lebenszyklus das Recycling. Außerdem sind sie nicht immer günstig, zum Teil umweltschädlich und vor allem nicht biobasiert“, so Lieske weiter.
Weichmacher in der Polymerkette verankert
Der Biopolyester PLA liefert vielversprechende Ansätze zur Lösung dieser Problematik: Er ist biobasiert, bioabbaubar, gut recycelbar und hat im Bereich der Biokunststoffe eines der stärksten Marktpotenziale. Aufgrund seiner hohen Steifigkeit ist er prädestiniert für Hartverpackungen wie Einwegbecher, eignet sich aber nicht für die Herstellung flexibler Einwegverpackungen wie Tragetüten, die zu den Hauptverursachern von Einweg-Kunststoffabfällen gehören. Diesen Konflikt hat Dr. Antje Lieske zusammen mit ihren Kollegen André Gomoll und Dr. Benjamín Rodríguez am Fraunhofer IAP gelöst. „Wir haben Weichmacher, sogenannte Polyether, direkt in die Polymerkette eingefügt, um das Material dauerhaft flexibler zu machen. Polyether sind nicht toxisch, kommerziell verfügbar und können auch biobasiert hergestellt werden. Bislang wurden Weichmacher dem PLA als Additiv beigemischt. Jedoch wandern die Weichmacher-Moleküle mit der Zeit aus dem Material heraus, wodurch das PLA wieder steif und hart wird. Um diese Migration zu verhindern, haben wir den Polyether direkt im Polymer verankert. Dazu haben wir PLA-basierte Blockcopolymere synthetisiert, bei denen das Polyether-Kettensegment an beiden Enden kovalent mit PLA-Kettensegmenten verknüpft ist“, erläutert Dr. Benjamín Rodríguez.
Flexibler Kunststoff mit großem Potenzial
Das Ergebnis ist ein neuartiges, flexibles PLA-Material, das ohne den Einsatz von migrierenden Weichmachern auskommt und im Gegensatz zu LDPE zu mindestens 80 % biobasiert ist – „wobei perspektivisch auch eine nahezu 100-prozentige Biobasiertheit möglich ist“, erklärt André Gomoll. „Außerdem lässt sich unser Material kostengünstig aus kommerziellen Rohstoffen in einem einfachen Syntheseprozess herstellen. Dieser verlangt keine großvolumigen Syntheseanlagen, sondern kann lokal auch durch mittelständische Unternehmen als kontinuierlich betriebener Prozess implementiert werden. Bisher konnte PLA nur in kontinuierlichen Großanlagen rentabel hergestellt werden, was kleinere Unternehmen als Hersteller ausgeschlossen hat. Schließlich ist das neuartige PLA-Material auch auf gängigen Verarbeitungsanlagen ähnlich wie LDPE zu Folien verarbeitbar und kann chemisch mit erheblich geringerem Energieaufwand als LDPE recycelt werden“, so Gomoll weiter.
Diese speziellen Materialeigenschaften bewegte die Firma Polymer-Gruppe zur Kommerzialisierung. Im Jahr 2023 wurde eine Produktionsanlage für die neuen PLA-Blockcopolymere von der SoBiCo GmbH, einer Tochtergesellschaft der Polymer-Gruppe, in Pferdsfeld in Betrieb genommen. Sie produziert pro Jahr 2000 t der neuartigen Biokunststoffe mit dem Namen Plactid. Langfristig sollen dort 10.000 Tonnen des neuartigen flexiblen PLA-Materials pro Jahr hergestellt werden.
Neben flexiblen Verpackungsfolien können auch völlig neue Anwendungsfelder erschlossen werden, z. B. im Automobilbereich, in der Textilindustrie und in der additiven Fertigung.