Mit einer von Wittmann ausgestatteten Spritzgießproduktion im eigenen Haus nahm der Hersteller von Kabel- und Schlauchaufrollsystemen die Fertigung von Kunststoffteilen jetzt selbst in die Hand.
Aus einem Guss – diese Metapher kommt einem in den Sinn, wenn man in Feletto – eine halbe Autostunde nördlich von Turin – das Produktionswerk von Zeca betritt. Acht Spritzgießmaschinen von Wittmann in unterschiedlichen Bauarten und Größen bilden eine Reihe, an deren Ende sich eine große Zentralanlage zum Trocknen und Fördern von Kunststoffgranulat befindet. Alle Maschinen sind durchgängig mit Peripheriegeräten und Robotern ausgerüstet – ebenfalls allesamt von Wittmann. Und der Blick auf den zentralen Hallenmonitor verrät, dass auch die Digitalisierung Einzug hält. Alle Produktionszellen sind über Wittmann 4.0 vernetzt und in Temi+, das MES der Wittmann-Unternehmensgruppe, eingebunden. „Unsere Kunden sind beeindruckt, wenn sie zu uns ins Werk kommen“, sagt Paolo Chiarabaglio stolz, der gemeinsam mit seinem Bruder Marco das fast hundertjährige Familienunternehmen in vierter Generation leitet. „Wir präsentieren unseren Kunden eine sehr saubere, moderne Fabrik. Alles passt auch farblich zueinander. Ich bin davon überzeugt, dass Menschen in einer schönen Umgebung motivierter arbeiten.“
Bei den Spritzgießteilen, die am Tag unseres Besuchs von den Förderbändern laufen, dominieren Gelb, Grau und Schwarz, die Zeca-Farben. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Ausrüstung von Werkstätten, sowohl im professionellen als auch im Heimwerkerbereich, sowie Ladestationen von Elektrofahrzeugen. Zu den bekanntesten Produkten gehören Kabel- und Schlauchaufrollsysteme. In Italien hat sich der Markenname längst als Synonym für die gesamte Produktgruppe durchgesetzt. „Die Leute gehen in den Laden und fragen nach einer Zeca, wenn sie eine Aufrollbox benötigen“, so Chiarabaglio.
Volle Kontrolle über Qualität und Wirtschaftlichkeit
Lange Zeit wurden die Spritzgießteile zugekauft. 2022 fiel die Entscheidung, die Spritzgießproduktion ins eigene Haus zu holen. Zwar wurde dafür nicht auf der sprichwörtlichen grünen Wiese gebaut – Zeca hat ein bestehendes, frei gewordenes Fabrikgebäude erworben –, dennoch wurde darauf geachtet, bei der Auslegung der Spritzgießhalle alle Effizienzpotenziale auszuschöpfen.
Der Wettbewerb ist hart. Vielfach werden ähnliche Produkte in Asien produziert, „zur Hälfte des Preises, aber mit einer geringeren Qualität“, sagt Chiarabaglio und macht deutlich: „Der gute Ruf von Zeca beruht auf der sehr guten Qualität unserer Produkte, dennoch müssen wir zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren.“
Die volle Kontrolle über die Qualität und die Wirtschaftlichkeit zu haben, war der ausschlaggebende Grund für die Entscheidung, selbst in die Spritzgießproduktion einzusteigen. „In der Vergangenheit mussten wir viele Zulieferteile aufgrund von Qualitätsproblemen aussortieren“, berichtet Chiarabaglio. „Zum Teil wurden nicht die von uns vorgegebenen Materialien verwendet und die Preiskalkulation war wenig transparent.“
Mit der eigenen Produktion ist Zeca zudem flexibler, vor allem vor dem Hintergrund der enormen Farbvarianz. Sind es für die eigenen Produkte nur drei Farben, die verarbeitet werden, kommen durch den Geschäftsbereich Lohnspritzgießen unzählige weitere Farben und Materialien hinzu. Werden Produkte in vielen unterschiedlichen Farben hergestellt, bedeutet das kleine Losgrößen, was sich beim externen Produzieren in vergleichsweise hohen Stückkosten niederschlägt. Entsprechend ließ Zeca oft auf Lager produzieren, was wiederum im eigenen Haus zusätzliche Kosten verursachte. „Ineffiziente Märkte“ nennt Paolo Chiarabaglio das Dilemma.
Und dann gab es da noch einen weiteren, sehr persönlichen Grund, der dazu führte, die Produktion ins eigene Haus zu holen. „Als ich Kind war, hat mich mein Vater oft zu Kunden mitgenommen. Wenn er sein Unternehmen vorstellte, sagte er immer, dass wir Produkte montieren. Das hat mich schon als Kind gestört“, sagt Chiarabaglio. „Das sind doch unsere eigenen Produkte und unsere Produktdesigns – da möchte ich auch sagen können, dass wir die Produzenten dieser Produkte sind.“
Alles aus einer Hand reduziert den Aufwand
Giacomo Meaglia ist der Direktor der neu gegründeten Plastic Division – und für Zeca ein „Glücksfall“, wie es Paolo Chiarabaglio umschreibt. „Wir haben mit Giacomo sehr viel Spritzgieß-Know-how und Erfahrung ins Haus geholt.“ Der junge Kunststofftechniker wurde im Spritzgießbetrieb seines Vaters ausgebildet. Von Beginn an hat er gelernt, nicht nur in technischen Parametern, sondern auch betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zu denken. Damit ist er prädestiniert, den Aufbau des neuen Produktionsbetriebs von Zeca in verantwortlicher Position zu leiten.
Gemeinsam mit den Experten von Wittmann entwickelte er das Layout für die neue Spritzgießhalle und effiziente Arbeitsabläufe. „Die größte Unterstützung, die wir Zeca geben konnten, bestand darin, dass wir komplette Produktionszellen aus einer Hand liefern“, betont Gianmarco Braga, Geschäftsführer von Wittmann Battenfeld Italia. „Die Koordination zwischen einzelnen Anbietern ist zeitintensiv. Diesen Aufwand nehmen wir unseren Kunden ab.“
40 Prozent Rüstzeit eingespart
Der Schlüssel für wettbewerbsfähige Stückkosten liegt in einer hohen Effizienz der Produktionsprozesse. Das Rüsten weist bei Zeca aufgrund der kleinen Losgrößen ein besonders großes Potenzial auf. Um sehr schnell Werkzeuge aufspannen zu können, sind alle Spritzgießmaschinen mit Magnetspannplatten ausgerüstet. Wittmann hat die Maschinen dafür mit den notwendigen Interfaces ausgeführt. „Mit den Magnetspannplatten sparen wir bis zu 40 Prozent Rüstzeit ein“, berichtet Andrea Landriscina, COO von Zeca. Dank digitalem Werkzeugdatenblatt erkennen die Spritzgießmaschinen die Werkzeuge schon beim zweiten Mal rüsten und stellen die optimalen Verarbeitungsparameter automatisch ein. Das „Plug & Produce“ spart nicht nur viel Zeit, sondern erhöht auch die Prozesssicherheit. Das Fehlerrisiko, das sich bei manuellen Eingaben nie ausschließen lässt, entfällt. Da über Wittmann 4.0 alle Komponenten der Produktionszellen miteinander vernetzt sind, lassen sich über die zentrale Maschinensteuerung auch die Peripherie und Automation sehr einfach kontrollieren.
Einen weiteren Beitrag zur Rüstzeitoptimierung leistet das MES Temi+, weil sich die Werkzeugwechsel besser planen lassen, wie Landriscina erklärt. „Worst Case wäre, dass gleichzeitig vier Werkzeugwechsel anstehen. Das können wir mit Temi+ vermeiden, weil wir auf einen Blick die Auslastung aller Maschinen sehen und aussteuern können. Wir optimieren auf diese Weise die Produktivzeiten unserer Spritzgießmaschinen.“
Geringer Gesamtenergieverbrauch
Entscheidend für die Auswahl der acht Spritzgießmaschinen war das Werkzeugspektrum. Mit Schließkräften von 600 bis 7.000 kN lassen sich sowohl kleine als auch große Werkzeuge effizient rüsten. Ebenso decken die unterschiedlichen Antriebstechniken ein breites Anforderungsspektrum ab. Im Einzelnen fiel die Wahl auf vier SmartPower- und zwei MacroPower-Maschinen, die jeweils servohydraulisch angetrieben werden, sowie zwei vollelektrische EcoPower-Spritzgießmaschinen. Mit der vollelektrischen Antriebstechnik hat Zeca in die Zukunft geplant, denn der Bereich Lohnspritzgießen wird weiter ausgebaut. „Mit dem vorhandenen Maschinenspektrum sind wir sehr flexibel, Kundenaufträge aus unterschiedlichen Anwendungsbereichen anzunehmen“, so Landriscina.
Was den Energieverbrauch betrifft, erweisen sich bereits die servohydraulischen Wittmann-Maschinen als äußerst sparsam. „Ich dachte immer, die Kunststoffverarbeitung sei ein energieintensiver Prozess“, sagt Giacomo Meaglia. „Ich bin erstaunt, wie wenig Energie die neuen Wittmann-Maschinen brauchen. Wir liegen im Gesamtverbrauch deutlich unter der uns hier am Standort zur Verfügung gestellten Leistung.“
Langlebige Produkte für hohe Nachhaltigkeit
Polypropylen macht den Löwenanteil unter den zu verarbeitenden Kunststoffen aus. Zu den Materialien, die in nur kleinen Mengen verarbeitet werden, gehört PETG, das sich durch eine hohe Transparenz auszeichnet, aufgrund seiner niedrigen Viskosität und Scherempfindlichkeit, aber anspruchsvoller in der Verarbeitung ist. Dennoch erfordern die Werkzeugwechsel kein paralleles Umrüsten der Plastifiziereinheiten. „Mit den Standardschnecken der Wittmann Maschinen erzielen wir über das gesamte Materialspektrum absolut homogene Kunststoffschmelzen. Höchste Farbkonstanz ist für uns das A und O“, sagt Landriscina. Für die Masterbatch-Dosierung kommen Dosiergeräte der Wittmann-Baureihe Gravimax zum Einsatz. Immer öfter gilt es, auch Recyclingmaterialien in definierten Prozentsätzen beizumischen. Angüsse werden zum Teil direkt an der Produktionsmaschine vermahlen und direkt wieder verarbeitet.
Nachhaltigkeit hat bei Zeca viele Gesichter. „Unsere Produkte lassen sich reparieren“, betont Paolo Chiarabaglio eine Trendwende, die sich leider noch nicht überall durchsetzt. „Uns ist das sehr wichtig“, sagt der CEO. „Schließlich stellen wir Kunststoffprodukte her, von denen viele Menschen denken, dass sie nicht nachhaltig sind. Wir möchten das Gegenteil beweisen und dazu gehört auch eine lange Lebensdauer der Produkte.“ Die Werkstattbetreiber können kaputte Zeca-Aufrollboxen und andere Produkte zum Reparieren ins Werk zurückschicken oder sie bestellen die nötigen Ersatzteile, um selbst die Reparatur vorzunehmen. „Auch das geht nur mit der eigenen Spritzgießproduktion“, so Chiarabaglio. „Wir haben hier jederzeit Zugriff auf alle Werkzeuge und können auch von älteren Modellbaureihen kurzfristig benötigte Ersatzteile produzieren.“
Kreativitätsschub für die Produktentwicklung
Der eigene Maschinenpark macht kreativ. Am Ende profitiert davon auch die Produktentwicklung, wie das Beispiel In-Mould-Labeling zeigt. „Darüber haben wir nie nachgedacht, weil es sich für kleine Losgrößen, die zugekauft werden, einfach nicht rechnet“, sagt Chiarabaglio. „Inzwischen überlegen wir, unser Logo auf die Gehäuse der Kabel- und Schlauchaufrollsysteme nicht länger aufzukleben, sondern mittels IML untrennbar mit der Aufrollbox zu verbinden. Wir sparen damit einen kompletten Arbeitsschritt ein und sind dann noch effizienter.“
Wenn Paolo Chiarabaglio heute Kunden besucht, kann er stolz von seiner eigenen Produktion berichten und beim Verhandeln neuer Projekte technologisch aus dem Vollen schöpfen. Die eigene Spritzgießproduktion hat die Flexibilität erhöht, die Qualitätskonstanz gesteigert und damit die Wettbewerbsfähigkeit gesichert. „Wir haben jetzt die Effizienz erreicht, die unsere ineffizienten Märkte erfordern“, so Chiarabaglio.