Die Verarbeiter in der Kunststoffbranche sind permanent aufgefordert, die Produktion ihrer Kunststoffbauteile sowie die Montage ganzer Baugruppen effizienter zu gestalten. Auf der Jahrestagung Spritzgießen, die am 21. und 22. Februar […]
Die Verarbeiter in der Kunststoffbranche sind permanent aufgefordert, die Produktion ihrer Kunststoffbauteile sowie die Montage ganzer Baugruppen effizienter zu gestalten. Auf der Jahrestagung Spritzgießen, die am 21. und 22. Februar 2018 vom VDI-Wissensforum in Baden-Baden veranstaltet wird, stehen daher Automatisierungslösungen für die effiziente Fertigung und Smart Plastics in Smart Solutions im Fokus. Hier eine kompakte Vorschau des VDI auf seine Traditionsveranstaltung.

Die Turnkey-Anlage von Arburg für einen Hybridstecker in der Automobilindustrie umfasst unter anderem eine Zwei-Komponenten-Drehtischmaschine Allrounder 1500T, eine Prüfzelle und drei Sechs-Achs-Roboter (Foto: Arburg).
Effiziente Produktion bedeutet für Kunststoffverarbeiter unter anderem, dass durch schnelle aber dennoch robuste und reproduzierbare Prozesse die Bauteile mit gleichbleibend hoher Qualität erzeugt werden können. „Wir wollen auf der VDI Jahrestagung aufzeigen, welchen Beitrag die Automatisierung bei der Effizienzsteigerung von Fertigungs- und Montageprozessen leisten kann“, sagt Martin Würtele, Leiter Technologieentwicklung Spritzgießtechnik bei der KraussMaffei Technologies GmbH in München und Vorsitzender des Programmausschusses des VDI Wissensforums.
„Oftmals verantworten die Verarbeiter auch die Entwicklung und Konstruktion einzelner Kunststoffbauteile sowie ganzer Baugruppen. In diesem Fall müssen sich die Unternehmen nicht nur auf die reine Produktion der Bauteile beschränken, sondern können über die Auswahl von überlegenen Werkstoffen und Technologien zusätzlich die Funktions- und Leistungsdichte der eigenen Produkte erhöhen und damit einen Beitrag zur Effizienzsteigerung leisten. Der zweite Themenblock soll daher neue Entwicklungen und Lösungen aus dem Bereich Werkstoff und Technologie aufzeigen“, so Würtele weiter.

Dr. Thomas Walther, Leiter Anwendungstechnik bei der Arburg GmbH + Co KG in Loßburg (Foto: Arburg).
Dr. Thomas Walther, Leiter Anwendungstechnik bei der Arburg GmbH + Co KG in Loßburg, wird die Teilnehmer durch die Sektion „Automationslösungen für die effiziente Fertigung“ führen. Er betont: „Automation ist seit Jahren eines der großen und wichtigen Themen der Spritzgießbranche, da die Anforderungen an die Kunststoffverarbeiter durch die Integration von Funktionen in das Werkzeug und durch vor- und nachgelagerte Bearbeitungsschritte in Fertigungszellen zunehmend komplexer werden. Die Ziele sind in allen Fällen gleich: hohe Teilequalität, Prozesssicherheit, Verfügbarkeit und Produktivität.“ Gefordert seien daher auf den Einzelfall zugeschnittene Systeme und Turnkey-Anlagen, bei deren Auslegung die gesamte Wertschöpfungskette einbezogen wird. „Auf der VDI-Jahrestagung wird unter anderem über neue Entwicklungen zur autonomen Intelligenz, über Hochleistungsautomation und Greifertechnik berichtet sowie über Trends in der optischen Inline-Qualitätskontrolle und Oberflächendekoration“, blickt Walther auf die Veranstaltung voraus.
Hochleistungsautomation sorgt für beschleunigte Prozesse

Wolfgang Czizegg, Geschäftsführer der Waldorf Technik GmbH (Foto: Waldorf Technik).
Wolfgang Czizegg, Geschäftsführer der Waldorf Technik GmbH in Engen, wird in Baden-Baden über die Hochleistungsautomation sprechen, Stolperfallen aufzeigen und einen Ausblick dazu geben. „Um das Wirtschaftswachstum trotz stagnierendem Bevölkerungswachstum auch in Zukunft aufrecht zu erhalten, ist eine permanente Produktivitätssteigerung unabdingbar. Dies ist nur über radikal vereinfachte oder automatisierte Prozesse möglich“, so Czizegg.
Neu sei, dass eine Vernetzung der Datenströme die Prozesse deutlich beschleunigt. Eine Vervielfachung von Sensorik liefert hierzu die Daten, so dass Prozessfehler wesentlich früher erkannt und real-time abgestellt werden könnten. „Gleichzeitig erklimmt man hinsichtlich der Performance immer neue Höhen, sei es bei Kavitätenzahlen im Spritzguss, bei der Prozesszeitenverkürzung oder auch bei der Miniaturisierung der Anlagen.

Herstellung von Pipettenspitzen mit dem Vario TIP-Verfahren (Bild: Waldorf Technik).
„Bei der Herstellung von Pipettenspitzen mit dem Vario TIP-Verfahren können wir auf der gleichen Reinraumfläche heute etwa 24 Mal mehr Teile herstellen als noch vor sechs Jahren. Dies ist das Ergebnis aus einer Vervierfachung der Kavitätenzahl im Werkzeug von 32 auf 128 Kavitäten, einer Reduzierung der benötigten Fläche um 75 % und einer Zykluszeitreduzierung von mehr als 30 % seit 2011“, nennt Czizegg ein Beispiel von Waldorf Technik.
Fertigungszellen mit integrierten Peripherie- und Automationskomponenten

Spritzgießmaschine mit integrierten Peripherie- und Automationskomponenten, die von einem 6-Achs-Roboter beschickt werden (Foto: Sumitomo (SHI) Demag).
Als direktes Bindeglied zwischen Mensch und Bauteil spielt die Oberfläche von Spritzgießteilen eine wichtige Rolle. In den vergangenen Jahren ist dabei der Fokus von rein optischen über haptische Anforderungen mehr und mehr in Richtung Funktionsintegration gegangen, wie zum Beispiel bei Touch-Oberflächen. Um bei der Produktion dieser anspruchsvollen Komponenten nachgelagerte Fertigungsschritte sowie ein aufwändiges Teilehandling mit erhöhtem Produktionsrisiko und der Gefahr hoher Ausschussraten zu vermeiden, werden mehr und mehr Fertigungsschritte in den originären Spritzgießprozess integriert.

Thomas Brettnich, Leiter Anwendungstechnisches Zentrum der Sumitomo (SHI) Demag (Foto: Sumitomo (SHI) Demag).
„In modernen Touch-Displays vereinen sich die Forderungen nach exzellenter Oberflächenbeschaffenheit und einem hohen Maß an Funktionsintegration. Die Integration verschiedener Fertigungsschritte in die Spritzgießmaschine macht den Herstellprozess insgesamt beherrschbarer und senkt Investitions- und Produktionskosten sowie die Ausschussraten deutlich“, erklärt Thomas Brettnich, Leiter Anwendungstechnisches Zentrum der Sumitomo (SHI) Demag Plastics Machinery GmbH in Schwaig. Die attraktiven Produktions- und Stückkosten würden integrierte Dekorationslösungen für viele Bereiche interessant machen. „Neben dem fast schon klassischen Einsatz im Automobilbereich dominieren mittlerweile Anwendungen aus der Mobilfunk-, Informations- und insbesondere auch Haushaltstechnik die Projekttätigkeit“, so Brettnich weiter. Auf der VDI-Jahrestagung Spritzgießen wird Brettnich generelle Trends im Bereich der Oberflächendekoration darstellen sowie die Herausforderungen an den Spritzgießer, Praxisbeispiele für Automationslösungen und die Vorteile integrierter Prozesse.
Automationslösungen für kleine Losgrößen

Andreas Reich, Leiter Turnkey bei Arburg (Foto: Arburg).
Wie sich Spritzgießprozesse trotz immer kleinerer Losgrößen und kürzerer Produktlebenszyklen effizient und flexibel automatisieren lassen, darüber wird Andreas Reich, Leiter Turnkey bei Arburg, sprechen. „In der Automation gibt es zwei Trends: Zum einen steigt die Komplexität der Anlagen, zum anderen sind sehr flexible Automationslösungen gefragt. Lösungen, die der Branche noch großes Potenzial bieten, sind zum Beispiel innovative Aufbereitungsmöglichkeiten für Einlegeteile über Schiebetisch, Drehtisch oder Tray sowie eine möglichst flexible Teileaufbereitung über Anyfeeder. Außerdem gehe ich in meinem Automationsvortrag darauf ein, wie sich dank Modularität und Standardisierung die Rüstzeiten minimieren lassen“, gibt er einen Ausblick. Relevant seien vor allem die Fälle, in denen eine Spritzgießmaschine oder Fertigungszelle nicht mit einem einzigen Produkt voll ausgelastet ist. „In erster Linie sind hier – besonders in Verbindung mit Einlegeteilen – die Bereiche Automotive und Elektronik zu nennen, aber auch Verpackung und Investitionsgüter“, so Reich.
„Smart Plastics in Smart Solutions“ soll Impulse für neue Anwendungen geben

Steffen Reuter, ehemals Vice President Innovation & Technology der Techniplas LLC in Küsnacht/Schweiz (Foto: privat).
„Kunststoffe spielen schon heute eine wichtige Rolle in unserem Alltag und aufgrund der ‚relativ einfachen‘ Möglichkeit der Integration von zusätzlichen Funktionen sind sie mehr denn je prädestiniert, Antworten auf die Fragestellungen der digitalisierten Zukunft zu geben“, sagt Steffen Reuter, ehemals Vice President Innovation & Technology der Techniplas LLC, Küsnacht, Schweiz, der durch die Sektion „Smart Plastics in Smart Solutions“ führen wird. „Durch die Kombination von verschiedenen Materialien, Prozessen und Technologien entstehen immer neue interessante Ideen und Produkte. An verschiedenen Beispielen wird aufgezeigt, was heute schon geleistet werden kann“, so Reuter weiter. Gerade die Wechselwirkung von Produkt- und Prozessinnovationen könne zu hochintegrierten Produkten führen, die mittels Spritzgießen kostengünstig hergestellt werden können. „Beispielsweise bietet der Bereich der HMI-Kunststoffe (Human-Machine-Interface) ein riesiges Potenzial der Funktions- und/oder der Prozessintegration. Ein weiteres gutes Beispiel sind Wearables auf Basis der printed electronics, die zunehmend Einzug in unseren Alltag nehmen. Oder das Erzielen von neuen Produkteigenschaften durch die prozessintegrierte Kombination von Materialien.“
3D-gedruckte Elektronik in Strukturbauteilen

Dr. Martin Hedges, Geschäftsführer der Neotech AMT GmbH (Foto: Neotech).
3D Printed Electronics sind ein stark wachsender Markt. „Die Möglichkeit, Elektronik durch digitale Fertigungsprozesse direkt auf strukturelle Bauteile und innerhalb dieser einzuarbeiten, um damit integrierte Smart Systems herzustellen, ist neu“, sagt Dr. Martin Hedges, Geschäftsführer der Neotech AMT GmbH in Nürnberg. Er wird das Thema in Baden-Baden erläutern. „3D Printed Electronics können für eine breite Palette von Anwendungen eingesetzt werden. Besonders relevant erscheinen integrierte 3D Schaltungsträger, Sensor- und Antennenstrukturen beziehungsweise Heizstrukturen für Automotive-Anwendungen, Industrieelektronik sowie Mobilfunkanwendungen und Konsumelektronik“, benennt er mögliche Einsatzgebiete. Durch 3D-gedruckte Elektronik werde es möglich, die Prozessketten zu verkürzen und durch die digitalen Prozesse den Material- und Energieeinsatz in der Fertigung zu optimieren, um somit die Kosten zu reduzieren.
Vereinigung von Spritzgießen und Oberflächenfunktionalisierung

Prof. Michael Gehde vom Institut für Fördertechnik und Kunststoffe an der Technischen Universität Chemnitz (Foto: TU Chemnitz)
Prof. Michael Gehde vom Institut für Fördertechnik und Kunststoffe an der Technischen Universität Chemnitz wird die Forschungsthematik In-Mold-Funktionalisierung vorstellen, also die Möglichkeit, bereits bei der Kunststoffverarbeitung werkzeugfallend Bauteile mit integrierten elektronischen Leiterbahnen zu realisieren. „Die Vereinigung des Spritzgussprozesses mit der Oberflächenfunktionalisierung in Form elektronischer Leiterbahnen in nur einem Prozessschritt stellt einen vollkommen neuen Ansatz dar, auch weil hier zwei Prozesse kombiniert werden, die sonst nicht in direkten Kontext zueinanderstehen: das Drucken elektronischer Komponenten und die urformende Kunststoffverarbeitung. Mit dieser Verschlankung des Gesamtprozesses im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren könnte die MID-Fertigung zukünftig wesentlich effizienter gestaltet werden“, sagt Gehde.
„Entgegen der aktuellen 3D-MID-Verfahren kommt die von uns derzeit entwickelte In-Mold-Funktionalisierung ohne zusätzliche Additive oder weiterführende Prozessschritte aus. Daher ergeben sich neben ökonomischen auch Einsparpotenziale hinsichtlich des Einsatzes von Ressourcen und Energie. Der gesamte Prozess der Leiterbahngenerierung auf Kunststoffbauteilen wird somit deutlich verschlankt“, benennt er mögliche Optimierungen. Annedore Bose-Munde
Weitere Informationen zur Veranstaltung: www.vdi-wissensforum.de/weiterbildungkunststoff/spritzgiessen/