Mit hauchdünnen Silikonfolien wollen Forscher leichtere Lautsprecher, die zudem weit weniger Strom verbrauchen als heutige Boxen, sowie neuartige Bauformen für Klang- und Signalgeber, aber auch Anwendungen wie schallschluckende Textilien ermöglichen.
Hauchfeine Folien können schwere und stromschluckende Bestandteile heutiger Lautsprecher ersetzen und so die Boxen der Zukunft leichter und nachhaltiger machen. Dies würde nicht nur Bühnentechnik und Roadies beim Auftürmen der schwarzen Lautsprecherboxen in Stadien und Konzertsälen entlasten. Vor allem könnte dies den Stromverbrauch auch millionenfach in Privathaushalten senken. Beschallungsanlagen brauchen mit ihren zumeist magnetischen Antrieben einiges an Strom – bei großen Events kommen schnell Hunderttausende von Watt zusammen. Aber auch im Hausgebrauch schlagen sie zu Buche, sei es in Musikanlage oder Heimkino. Und kabellos betrieben leeren sich Batterien oder Akkus von Lautsprechern zusehends.
Erheblich energieeffizienter wäre die Technologie, die das Forschungsteam um Professor Stefan Seelecke am Lehrstuhl für intelligente Materialsysteme der Universität des Saarlandes und am Saarbrücker Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik Zema entwickelt. Sie kommt ohne teure oder schwer verfügbare Materialien aus: Silikonfolie und Ruß sind neben einer intelligenten Ansteuerung alles, was nötig ist. Auch neue Bauformen für Lautsprecher werden möglich. „Mit unseren intelligenten Materialsystemen aus dielektrischen Elastomeren lässt sich im Bereich der Akustik vieles neu denken. Mit ihnen könnte die Lautsprechertechnik mit Blick auf mehr Nachhaltigkeit weiter verbessert und weiterentwickelt werden“, sagt Professor Stefan Seelecke.
Die denkbaren Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig: Zum Beispiel lassen sich die Folien in Textilien integrieren, die etwa an Wänden angebracht, durch Noise Cancelling Umgebungsgeräusche auf neue Art schlucken oder auch, am Körper getragen, akustische Signale geben könnten. Auf der gerade stattfindenden Hannover Messe suchen die saarländischen Forscher Partner, mit denen sie ihre Technologie für neue Anwendungen weiter erforschen und weiterentwickeln können.
Die Technologie beruht auf dünner Silikonfolie, einem so genannten dielektrischen Elastomer, und funktioniert mit wenig elektrischem Strom. Indem sie das elektrische Feld verändern, können die Saarbrücker Forscher die Folie nach Belieben hochfrequent vibrieren oder stufenlose Hub-Bewegungen vollführen lassen. In Lautsprechern könnte sie – hier in speziell zusammengerollter Form – als neuartiger Antrieb schwere und viel Energie verbrauchende Elektro- oder Permanentmagnete ersetzen, die die Lautsprechermembranen bewegen und etwa im niederfrequenten Bereich satten Bass erzeugen.
„Die Ober- und Unterseite der Folie sind mit einer leitfähigen, hochdehnbaren Elektrodenschicht auf Rußbasis bedruckt“, erklärt Professor Paul Motzki, der bereits als Doktorand in Seeleckes Team forschte. „Legen wir hieran eine elektrische Spannung an, ziehen sich die Elektroden an und stauchen die Folie, die zur Seite ausweicht und dabei ihre Fläche vergrößert“, führt Paul Motzki aus, der mit „Smarte Materialsysteme für innovative Produktion“ heute eine Brückenprofessur zwischen Universität des Saarlandes und Zema inne hat und dort Direktor des Forschungsbereichs „Smarte Materialsysteme“ ist. Bei diesen Kontraktionen, die den Folien auch den Titel künstliche Muskeln eingebracht hat, verändert sich die elektrische Kapazität: Jeder Messwert entspricht einer bestimmten Stellung der Folie. Damit ist die Folie selbst ihr eigener Sensor. Die Forscher können durch eine Abfolge vieler solcher Messwerte mithilfe intelligenter Algorithmen einen Bewegungsablauf programmieren und die Folie entsprechend blitzschnell ansteuern: Verändern die Forscher das elektrische Feld, lassen sie die Folie klopfen oder mit beliebiger Frequenz und Schwingung vibrieren.
Auch die Folie selbst kann zum Lautsprecher werden und Töne erzeugen: sogar viele gleichzeitig, indem die Forscher sie so ansteuern, dass sich mehrere Schwingungsfrequenzen überlagern. „Je nach Anwendung können wir die Folie selbst als Antrieb und gleichzeitig zur Schallerzeugung verwenden. Dadurch werden maximal kompakte Lösungen und ganz neue Bauformen möglich, etwa einige Millimeter flache Systeme“, erklärt Sophie Nalbach, die Forscherin hat im Rahmen ihrer Doktorarbeit bei Professor Seelecke an den smarten Folien gearbeitet und ist inzwischen Bereichsleiterin für Smarte Materialsysteme am Zema. Die Folie setzt dabei zwar nicht genug Luft in Bewegung, um an die Performance derzeitiger Lautsprechertechnik heranzureichen. Als Signalgeber etwa in Textilien, die zum Beispiel bestimmte Warntöne erzeugen, sind sie jedoch durchaus einsetzbar.