Aluminium-Kunststoff-Verbundfolien stellen eine Herausforderung beim Kunststoffrecycling dar. Forscher unter Leitung des Bayreuther Physikochemikers Prof. Dr. Markus Retsch haben jetzt ein Upcycling-Verfahren entwickelt, das derartigen Folien eine Zweitverwendung ermöglicht.
Aluminium-Kunststoff-Verbundfolien – kurz APL (Aluminum-Plastic Laminates) – werden seit langem in großem Umfang eingesetzt, um die Haltbarkeit von Chips, Röst- und Pulverkaffee, Milch, Fruchtsäften und weiteren Lebensmitteln zu verlängern. Während der Covid-19-Pandemie dienten sie der Verpackung von FFP2-Masken und Schnelltests. Die Folien bestehen aus mehreren Polymerschichten und einer Aluminiumschicht, welche die Produkte vor schädigenden Faktoren – insbesondere vor Sonneneinstrahlung und Hitze, aber auch vor Feuchtigkeit und Sauerstoff – schützt. Das Recycling derartiger Kompositfolien ist jedoch infolge dieser Kombination verschiedener Materialien nur schwer möglich.
Das jetzt in Bayreuth entwickelte Upcycling-Verfahren von Kartoffelchipstüten weist einen Weg, um die Verwertung von APL-Folien zu verbessern und zugleich den globalen Energieverbrauch abzusenken. Schon heute machen Kühlsysteme rund 15 % des weltweiten Energieverbrauchs aus, und angesichts des Klimawandels und der dadurch bedingten Häufigkeit von Hitzewellen droht dieser Anteil weiterhin zu steigen. Die Aluminiumschicht von APL-Verpackungen stellt eine gut spiegelnde Oberfläche dar, wie man sie beispielsweise von Rettungsdecken kennt. Wird nun eine klare Polymerschicht aufgetragen, die die Abstrahlung von Wärmeenergie begünstigt, ist ein leistungsstarkes Kühlsystem komplett. Eine einfache Laminierfolie, wie sie im Bürofachhandel gebräuchlich ist, reicht als Material für die Beschichtung bereits aus. Durch die Beschichtung entstehen Kühlfolien, die auf beliebigen Oberflächen unter freiem Himmel – wie etwa auf Schirmen, Jalousien und Markisen – aufgebracht werden können und so eine Aufheizung durch grelles Sonnenlicht verhindern. Gleichzeitig wird die bereits vorhandene Umgebungswärme in das kalte Weltall abgegeben, ohne dass eine externe Energiezufuhr nötig ist. Diese Effekte werden in der Forschung als „passive Tageskühlung“ bezeichnet. Sie können im Idealfall selbst bei intensiver Sonneneinstrahlung zu Temperaturen unterhalb der Umgebungstemperatur führen.
Ermöglicht wird die passive Tageskühlung dadurch, dass die verwendeten Materialien spezielle optische Anforderungen erfüllen. Sie müssen einen möglichst hohen Anteil des Sonnenlichts, das eine Wellenlänge zwischen 0,3 und 2,5 µm hat, streuen oder reflektieren. Im Wellenlängenbereich zwischen 8 und 13 µm, dem Transparenzfenster unserer Atmosphäre, müssen sie hingegen möglichst viel Wärmeenergie in Form von Infrarotstrahlung ins Weltall aussenden. Aluminium-Kunststoff-Verbundfolien erfüllen diese Voraussetzungen sehr gut. Am Beispiel von beschichteten handelsüblichen Kartoffelchips-Tüten haben die Bayreuther Forscher nachgewiesen: Rund 87 % des Sonnenlichts werden durch die Aluminiumschicht reflektiert. Durch die zusätzliche Polymerbeschichtung der neuen nachhaltigen Kühlfolien wird die Abstrahlung im Bereich des Transparenzfensters der Atmosphäre verbessert und dadurch Wärme direkt ins Weltall abgegeben.
Prof. Dr. Markus Retsch und sein Mitarbeiter Dr. Qimeng Song haben unterschiedliche Möglichkeiten erprobt, Kartoffelchipstüten und andere APL-Verpackungen in effiziente Kühlmaterialien zu verwandeln. Infrage kommen industrielle Verfahren, bei denen Polydimethylsiloxan (PDMS) als Beschichtungsmaterial eingesetzt wird. Aber wie die jüngste, in „ACS Sustainable Chemistry & Engineering“ veröffentlichte Studie zeigt, ist es auch denkbar, dass die Beschichtung künftig in Privathaushalten stattfindet. Einfache handelsübliche Laminiergeräte reichen aus, um aus alten APL-Verpackungen Kühlmaterialien herzustellen, die als Hitzeschilde auf der Terrasse, dem Balkon, an Außenwänden oder auf dem Dach montiert werden können.