Durch gezielte Werkstoffauswahl kombiniert mit Sekundärrohstoffen sowie der Anwendung von Leichtbauweisen konnte am Kunststoff-Zentrum in Leipzig der CO2-Fußabdruck eines Automotive-Spritzgussbauteils um ca. 40 % gesenkt werden.
Das Fallbeispiel dient in der Automobilanwendung zur sicheren Aufnahme einer Batterie. Dieses Bauteil (Referenz) wird aus einem PA 66 mit 50 Gew.-% Glasfaserverstärkung gefertigt.
Für das Funktionsträgerbauteil wurde eine Fallstudie entwickelt, deren Maßnahmen eine deutliche Senkung der Treibhausgasemissionen in allen Phasen entlang des Produktlebenszyklus (cradle-to-grave-Ansatz) bewirken. Die Hauptwerkzeuge in diesem sog. Eco-Szenario sind
- die Materialauswahl unter Berücksichtigung der Kreislaufwirtschaft – das Funktionsträgerbauteil wird zu einem Anteil von 70 Gew.-% aus einem PP/PE-Mix aus dem Hausmüllrecycling (PCR) gefertigt,
- die Nutzung regenerativer Energien in der Produktion – die elektrische Energie zur Spritzgießfertigung des Funktionsträgerbauteils stammt zu 100 % aus regenerativen Quellen und
- die Erhöhung der Materialeffizienz durch Leichtbau – das Funktionsträgerbauteil wird in einem OneShot-Spritzgießprozess aus zwei Komponenten gefertigt, wobei die Kernschicht aus PP/PE-PCR geschäumt wird (Thermoplast-Schaumspritzgießen) und für die Hautschicht ein zu 40 Gew.-% langfaserverstärktes PP zum Einsatz kommt.
Das Eco-Szenario basiert auf den Entwicklungen im Rahmen des F&E-Projekts Funktionsträger des KUZ in Zusammenarbeit mit der Your Solution GmbH & Co. KG sowie der Unterstützung durch die Koller Kunststofftechnik GmbH. Dabei konnte unter Verwendung der genannten Materialien und mit Hilfe des Thermoplast-Schaumspritzgießens (TSG) eine deutliche Gewichtsreduktion erzielt werden. Durch konsequente Umsetzung eines TSG-gerechten Bauteildesigns konnte die spezifische Biegesteifigkeit im Vergleich zur Referenz sogar leicht verbessert werden.
Berechnung des CO2-Fußabdrucks und Auswertung der Ergebnisse
Die Referenz und das Eco-Szenario wurden mit der Software Umberto LCA+ modelliert und mit Daten aus der Ecoinvent-Datenbank und Plastics Europe untersetzt. Anschließend wurde durch Berechnung des Modells ein CO2-Fußabdruck für jede Phase des Produktlebenszyklus ermittelt. Auf diese Weise kann die Wirksamkeit jeder Maßnahme im Eco-Szenario differenziert bewertet werden.
Der CO2-Fußabdruck (cradle-to-grave) des Funktionsträgerbauteils konnte mit Hilfe des Eco-Szenarios um ca. 40 % gegenüber der Referenz gesenkt werden. Anhand der Berechnungen wird deutlich, welch großen Einfluss eine gezielte Werkstoffauswahl auf die potenziellen Treibhausgasemissionen hat. Durch die Verwendung von Kunststofftypen mit niedrigem CO2-Fußabdruck kombiniert mit Sekundärrohstoffen (hier PP/PE-PCR) kann eine deutliche Reduktion der Treibhausgasemissionen erzielt werden. Zudem zeigt das berechnete Szenario die hohe Relevanz des Bauteilgewichts bei bewegten Bauteilen auf. Insbesondere bei einer ausgeprägten Nutzungsphase mit zahlreichen Beschleunigungsvorgängen (hier Komponente in PKW) erschließt sich durch konsequente Anwendung von Leichtbauweisen ein erhebliches Einsparpotenzial der Treibhausgasemissionen. So konnten mit Hilfe des Thermoplast-Schaumspritzgießens das Bauteilgewicht und damit auch die bauteilbezogenen Treibhausgas-emissionen in der Nutzungsphase bei vergleichbarer mechanischer Performance um 25 % reduziert werden.
Die vorliegenden Untersuchungen verdeutlichen, wie wichtig die ganzheitliche Betrachtung entlang des gesamten Produktlebenszyklus ist. Werden bei dem beschriebenen Funktionsträgerbauteil lediglich die Phasen Rohstoff+Vorprodukte und Produktion betrachtet (cradle-to-gate-Ansatz), so ändert sich die Emissionsverteilung und folglich auch die Priorisierung potenzieller Optimierungsmaßnahmen zur Senkung des CO2-Fußabdrucks.