Hohe Festigkeit, Maßhaltigkeit und Passgenauigkeit bei geringem Gewicht sind die Markenzeichen großflächiger Composites-Bauteile, die mit dem LFI-Verfahren (Long Fiber Injection) von Krauss Maffei hergestellt werden. Erstklassige Oberflächen lassen sich zudem […]
Hohe Festigkeit, Maßhaltigkeit und Passgenauigkeit bei geringem Gewicht sind die Markenzeichen großflächiger Composites-Bauteile, die mit dem LFI-Verfahren (Long Fiber Injection) von Krauss Maffei hergestellt werden. Erstklassige Oberflächen lassen sich zudem durch eine einfache Verfahrenskombination erzielen – zum Beispiel mit dem Inmold-Primer. Darauf setzt auch das russische Leichtbau-Forschungsunternehmen NCC (Nanotechnology Centre of Composites) in Moskau und nutzt die Kombination für die Herstellung eines Heckklappenmoduls in einer selbstragenden Composites-Struktur für einen Linienbus. Der Lohn dafür: Das modulare Buskonzept, das NCC gemeinsam mit der ungarischen Evopro Group entwickelt hat, gewann den JEC Innovation Award 2016.
Schnelle Farbwechsel und große Farbvielfalt
Eine wichtige Komponente des Linienbusses ist die besonders großflächige, zweifarbige Heckklappe. Sie verfügt über die Abmessungen von 2,2 m in der Breite und 1,4 m in der Höhe. Hier vertraut NCC auf die Systemkompetenz von Krauss Maffei. „Die Anforderungen des Kunden waren klar definiert. Gefordert wurden eine deutliche Gewichtsreduktion sowie eine Class-A-Oberflächenqualität bei hoher Festigkeit und Steifigkeit des Bauteils. Zudem sollten schnelle Farbwechsel und damit eine große Farbvielfalt möglich sein. Und das alles in kurzen Zykluszeiten und zu einer kostenoptimierten Herstellung”, erklärt Wolfgang Hinz, Produkt- und Vertriebsmanager der Business Unit Composites/Oberflächen und zuständiger Projektleiter bei Krauss Maffei.
Sofort lackierfähig aus dem Werkzeug
Gemeinsam mit dem Kunden entschied man sich für eine Kombination aus LFI-(Long Fiber Injection) und Inmold-Primer-Verfahren. Der Vorteil dabei: Die für die individuelle Lackierung vorbereiteten Oberflächen werden vollautomatisch direkt im Werkzeug erzeugt. Dadurch lassen sich die Zykluszeiten reduzieren, erstklassige Oberflächen von hochglänzend bis matt sowie eine große Farbvielfalt sind möglich. Durch den Einsatz selbstlösender Primer kann zudem auf den Einsatz externer Formtrennmittel verzichtet werden. Im Daimler-Steinschlagversuch schneiden mit dem Verfahren gefertigte Bauteile bis zu 600 % besser ab als nachträglich mit einem Primer lackierte glasfaserverstärkte Bauteile (GFRP).
2015 erfolgte die Auslieferung der Anlage an NCC. Seitdem produziert die LFI-Anlage mit passendem Shuttle-Formenträger, Barrier-Coat-Sprühmaschine, Mischkopf, 2K-Farbsprühmaschine und LFI-Prototypenwerkzeug erfolgreich. Im ersten Verfahrensschritt erfolgt das Aufsprühen des Primers, im zweiten das Aufsprühen der Polyurethan-Barriereschicht. „Der Sprühmischkopf Rimstar Compact von Krauss Maffei sorgt an dieser Stelle für eine konstante Temperaturführung und unterstützt damit die hervorragende Oberflächenqualität”, so Hinz. Im dritten Schritt kommt dann die LFI-Technologie zum Einsatz. Hierbei werden die Glasfaserstränge vom Roving und die entsprechenden Polyurethan-Komponenten in einem einzigen Arbeitsschritt robotergesteuert simultan ins offene Werkzeug eingetragen. Dabei verbinden sich die Glasfasern mit der Trägermatrix zu einem hochfesten Verbund. Mattenzuschnitt und die Preformfertigung und damit zusätzlichen Kosten entfallen. „Auch im Vergleich zum SMC-Verfahren (Sheet Mold Compounding) oder dem DCPD-Prozess (Dicyclopentadien), die beim Kunden ebenfalls zur Diskussion standen, bietet das LFI-Verfahren deutliche Kosteneinsparungen”, ergänzt Hinz.
In punkto Bauteilgewicht punktet das LFI-Verfahren im Vergleich zum SMC mit einer bis zu 55 % niedrigen Dichte. Weitere Vorteile des LFI-Verfahrens sind die hohen Faservolumengehalte von bis zu 50 %, die eine hohe Festigkeit garantieren, sowie die hohe Flexibilität bei der Auswahl der Faserlängen, die eine große Bandbreite bei der Bauteilgestaltung, zum Beispiel von Rippen oder Funktionsintegration, erlaubt.
Im letzten Schritt erfolgt dann das Formpressen und die Reaktion im geschlossenen Werkzeug. Anschließend werden die fertigen Bauteile herausgenommen und stehen nun sofort für die weitere Klarlackbeschichtung oder finale individuelle Lackierung bereit. Eine Zwischen- oder weitere Vorbehandlung ist nicht mehr notwendig.
Die von Krauss Maffei entwickelte Systemlösung bei NCC ist zudem für weitere Verfahren des Inmold-Coatings von Krauss Maffei ausgelegt. So zum Beispiel für das Inmold-Painting, bei dem der finale Lack bereits im ersten Schritt ins offene Werkzeug eingetragen wird. Das Sprühsystem kann dabei aus ein oder zwei Komponenten bestehen. „Mit dieser Verfahrensvielfalt bieten wir unserem Kunden maximale Flexibilität in der Farb- und Oberflächenauswahl – und das zu einfachen, kostenoptimierten Prozessen”, resümiert Hinz.
NCC und das preisgekrönte Buskonzept
Das 2011 gegründete Nanotechnology Centre of Composites (NCC) hat sich auf die Entwicklung seriennaher Prototypen aus faserverstärkten Kunststoffen und anderen Leichtbaumaterialien spezialisiert. Die Partner aus der Industrie kommen vor allem aus der Automobilindustrie, dem Transport- und Bauwesen sowie der Freizeit- und Unterhaltungsindustrie. Jüngstes Projekt ist die Entwicklung einer modularen, selbsttragenden Buskarosserie aus Verbundwerkstoffen, die im Auftrag der ungarischen Evopro Group realisiert wurde. Neben dem geringen Gewicht und der Korrosionsfestigkeit besteht der Vorteil darin, dass die Karosserieblöcke zur Schaffung modulierbarer Fahrzeuge individuell zusammengestellt werden können. Daher ist die Produktion in großen Serien für unterschiedliche Verwendungszwecke möglich. Ein neuer Ansatz, der nicht nur die Jury des diesjährigen JEC Innovation Awards, sondern auch die Budapester Verkehrsbetriebe überzeugt hat. Seit März 2016 fahren Elektrobusse auf den Straßen der ungarischen Hauptstadt mit diesem Konzept.