Die Energiekosten machen einen gehörigen Teil der Kostenstruktur eines Thermoformbetriebes aus. Wie sich diese senken lassen, erklären CSO/CTO Jürgen Lochner und Senior Manager Technical Product Management Oliver Köstel im Gespräch mit K-PROFI.
Um dem Verarbeiter eine Thermoform-Anlage zu bieten, die neben optimaler Ressourcennutzung, geringem Materialverbrauch, hoher Qualität und kurzen Zykluszeiten auch energieeffizient arbeitet, hat die Illig GmbH, Heilbronn, an zahlreichen Stellschrauben gedreht und ist überzeugt, dass sich der Energiebedarf so um bis zu 30 % senken lässt. Details erfahren Sie hier im Interview und auf dem Stand des Unternehmens auf der Fakuma.
K-PROFI: Sie haben viel Entwicklungsarbeit in die Maschinen gesteckt, um deren Energieeffizienz zu erhöhen. Seit wann steht da Thema im Fokus bei Ihnen?
Lochner: Effizienz war bei uns schon immer ein Thema. Sei es geringerer Folienverbrauch oder eine immer höhere Ausbringung der Maschinen. Seit mehr als fünf Jahren arbeiten wir daran, den Energieverbrauch der Maschinen konsequent zu senken. Vor zwei Jahren waren wir so weit, dass wir die technischen Änderungen für unseren gesamten Maschinenpark im Fokus hatten. Von Anfang an war unser Ziel, nicht nur die neuen Maschinen entsprechend auszurüsten, sondern auch Bestandsmaschinen nachrüsten zu können. Das ist uns gelungen.
Sie haben ja an einigen Stellschrauben gedreht. Ein ganz wesentliches Element war die Heizung. Was genau haben Sie hier verbessert?
Köstel: An den Heizsystemen haben wir eine ganze Reihe von Änderungen vorgenommen. Jetzt setzen wir in allen neuen Systemen – egal ob Platte oder Rolle – nur noch Infrarotflächenstrahler ein, die im Keramik-Hohlguss- und nicht im Vollgussverfahren erzeugt werden. Bei den Vollgussstrahlern sind die Heizelemente komplett in die Keramik eingegossen. Für den Heizvorgang muss sich immer die komplette Keramik erhitzen, bevor die gewünschte Temperatur erreicht ist. Die Hohlgussstrahler sind nach hinten hohl und isoliert, haben nur einen dünnen Keramiksteg, der sie hält. Dadurch strahlt die Wärme überwiegend nach vorne ab, und die Aufheizzeit verkürzt sich um bis zu 50 Prozent.
Sie sprechen von zahlreichen Änderungen. Was ist noch neu bei der Heiztechnologie?
Köstel: Bei den Rollenmaschinen ist es so, dass die Heizung bei einer Störung oder während eines Rüstvorgangs die Temperatur absenkt. Bei den Plattenmaschinen senkt die Maschine die Temperatur während des Formprozesse ab, wenn sie nach hinten fährt. Dank der kurzen Heizzeiten durch die neuen Strahler geht die Temperatur wieder hoch, sobald die Heizung nach vorne fährt. Über der Platte ist sie dann bereits wieder auf Formtemperatur. Außerdem haben die Maschinen eine selektive Heizungsregelung, mit der sich – abhängig vom Formteil – bestimmte Reihenelemente der Heizung ansteuern und auch deaktivieren lassen. Das ist vor allem für die Plattenmaschinen bedeutsam.
Viel Energie geht beim Thermoformen als Abwärme verloren. Haben Sie auch diesbezüglich Maßnahmen ergriffen?
Lochner: Oh ja! Um den Wärmeverlust zu reduzieren, bieten wir alle Maschinen mit geschlossenen, wärmeisolierten Heizkästen an. So geht weniger Wärme an die Umgebung verloren. Bei den Rollenautomaten findet der Heizprozess in einem Heizungstunnel statt, der rundum isoliert ist.
Köstel: Außerdem haben wir die Maschinen, bei denen der Schnitt nicht im Werkzeug integriert ist, mit einer geregelten Aufheizphase für den anschließenden Bandstahlschnitt versehen. Da das Formteil hier bereits kühler ist, heizen wir den Bandstahl vor, um die Folie sauber schneiden zu können. Da die Bandstahlheizung länger braucht, um die gewünschte Schnitt-Temperatur zu erreichen, als die Heizung in der Formstation, beheizen wir zuerst die Schnittheizung und dann folgt erst die Folienheizung.
Neben Wärmeenergie benötigt der Tiefziehprozess außerdem Druckluft und Kühlung. Standen diese beiden Aspekte auch auf Ihrer Entwicklungs-Agenda?
Lochner: Wir haben den gesamten Prozess unter die Lupe genommen und haben in jede Ecke geschaut, an der sich Energie einsparen lässt. Dazu gehörten natürlich auch Druckluft und Kühlung, aber auch das Werkzeugdesign. Es ging uns neben geringerem Energieverbrauch vor allem darum, die Maschinen auch weiterhin hinsichtlich einer höheren Entformungsgeschwindigkeit und damit niedrigerer Zykluszeit zu optimieren.
Was haben Sie da konkret verändert?
Köstel: Zunächst mal zum Werkzeug. Wir legen die Kühlung nah an das Formteil, nutzen bei Bedarf auch Mantelkühlungen und nicht nur Bohrungen. Der Drucklufteintrag ist an die Formkontur angepasst, sodass der Verarbeiter weniger Luft für den Formprozess benötigt. Außerdem haben wir den Kesseldruck von 6 bar auf 8 bar erhöht. Wenn ich mit 6 bar formen möchte und einen Kesseldruck von 6 bar habe, dann baut sich der Druck in den ersten Millisekunden exponentiell auf, doch auf den letzten Metern nähert sich der Formdruck asymptotisch an und es dauert entsprechend lange, bis die 6 bar Formdruck erreicht sind. Habe ich 8 bar im Kessel, erreiche ich die 6 bar Formdruck in Bruchteilen von Sekunden und dann schließe ich das Ventil, wenn ich den Druck erreicht habe. Dadurch beschleunige ich den Formprozess und senke den Druckluftbedarf.
Die Maschinen sind jetzt schneller und verbrauchen weniger Energie. Ist damit die Entwicklung abgeschlossen?
Lochner: Keinesfalls! Wir werden ab 2024 den Energieverbrauch der Maschinen im HMI sichtbar machen – ähnlich wie beim Auto, das Ihnen den aktuellen Spritverbrauch anzeigt. Dadurch schaffen wir Bewusstsein und zeigen dem Anlagenbediener, wo gerade viel Energie hingeht und wo es Einsparpotenziale gibt. Wir haben Messpunkte in den Maschinen integriert, die es dem Nutzer erlauben, die Maschine mit verschiedenen Parametern zu fahren und Messvergleiche des Energie- und Druckluftbedarfs vorzunehmen und den Formprozess so zu optimieren.
Und wie sieht Ihre Zukunftsvision aus?
Lochner: Unsere Vision ist die voll digitale Thermoformmaschine mit einer räumlich und zeitlich genau definierten Heizung. Wir wollen die Temperatur ganz präzise und auf den Punkt steuern, um jeden Punkt der Folie oder Platte genau ansprechen zu können. Damit bringen wir die Wärme ausschließlich da hin, wo sie benötigt wird und in genau der Menge, die dort gebraucht wird. Daran arbeiten wir im Verbund mit anderen Unternehmen und Forschungsinstitutionen. Noch ist das eine Vision, aber ich bin zuversichtlich, dass diese Realität werden wird.