Im Rahmen des EU-Projektes Biomat erforscht ein Team der Hochschule Kaiserslautern den Einsatz von bio- und recyclingbasierten Rohstoffen für die Polyurethanverarbeitung. Die Praxistests werden mit der Pilotanlage Labofoam von Hennecke durchgeführt.
Nachhaltige Rohstoffe und die Reduzierung von CO2 -Emissionen bei der Herstellung von Weichschaumstoffen und anderen PUR-Produkten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Viele Unternehmen aus Industrie und Handel fragen sich, wie sie den Anteil von Erdöl und umweltschädlichen Treibmitteln in ihrer Produktion verringern können. Aus diesem Grund wurde 2021 Biomat ins Leben gerufen. In dem von der EU geförderten Projekt forschen Wissenschaftler aus acht Nationen an der Entwicklung nachhaltiger Schaumstoffe und Verbundwerkstoffe mit einem hohen Anteil nachwachsender Rohstoffe. Ziel von Biomat ist es, die bei der Herstellung von Schaumstoffen und Verbundwerkstoffen entstehenden Treibhausgase um 30 bis 50 % zu senken und mehr als die Hälfte des eingesetzten Materials durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen.
Dieses Forschungsvorhaben, an dem ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Gregor Grun und Prof. Dr. Sergiy Grishchuk im Fachbereich Angewandte Logistik- und Polymerwissenschaften der Hochschule Kaiserslautern beteiligt ist, erfordert zahlreiche Versuche mit verschiedenen neuen Rohstoffen in unterschiedlichsten Formulierungen, um das jeweilige Schäumungsverhalten, die Haltbarkeit sowie weitere Eigenschaften der Produkte zu untersuchen. Um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten und insbesondere die althergebrachten „Bechertests“ zu vermeiden, wurde 2022 am Campus Pirmasens der Hochschule Kaiserslautern eine Labofoam von Hennecke, St. Augustin, in Betrieb genommen. Das Maschinensystem eignet sich für Versuchsreihen und Produkt-Innovationen im Bereich der Polyurethanverarbeitung.
Simulation einer industriellen Großanlage
Neue Rezepturen auf einer herkömmlichen Blockschaumanlage zu entwickeln und zu testen, ist ein ressourcenintensives Unterfangen. Deshalb hat Hennecke die Labofoam entwickelt, die – vereinfacht gesagt – den Reaktivteil (Nassteil) einer kontinuierlichen Produktionsanlage im Kleinen nachbildet und so Versuchsreihen mit geringen Austragsmengen ermöglicht. Trotzdem erzielt sie Ergebnisse, die in ihrer Qualität nahezu denen einer kontinuierlichen Produktionsanlage entsprechen. Dabei kommen die präzisen Hochdruck-Dosierpumpen sowie die Hennecke-Mischtechnik zum Einsatz. Darüber hinaus ist jede einzelne Dosierlinie für die Verarbeitung eines anwendungsspezifischen Rohstoffspektrums ausgelegt, sodass eine ebenso große Bandbreite an möglichen Versuchsreihen realisiert werden kann. Mit geringem Rohstoffeinsatz können so präzise die Ergebnisse einer hochskalierbaren industriellen Produktion simuliert und getestet werden.
Biopolyole aus organischen Abfällen
Am Campus Pirmasens werden nun die Materialeigenschaften und Einsatzmöglichkeiten von Biopolyolen untersucht – auch im konkreten Auftrag von Industrieunternehmen. „Biopolyole werden vorzugsweise aus organischem Abfall gewonnen“, erklärt Prof. Dr. Gregor Grun. Dabei kann es sich um Fettsäuren, Triglyceride, Zucker oder andere geeignete organische Reststoffe handeln. Allerdings sind viele dieser Materialien derzeit noch schwierig kommerziell zu beziehen. Eine besondere Herausforderung beim Einsatz von Biopolyolen ist zudem, dass sie aus sekundären Hydroxylgruppen bestehen und daher vergleichsweise langsam reagieren. Gleichzeitig muss auf die geringe Fließfähigkeit vieler Biopolyole geachtet werden, für welche die Labofoam jedoch gut geeignet ist, da sie für Viskositäten bis zu 35.000 mPas ausgelegt ist. Neben der Gewinnung von Biopolyolen wird in der Polymer-Fachabteilung in Pirmasens unter anderem auch an der Synthetisierung von Biopolyestern geforscht, um möglichst kompostierbare Materialien herzustellen oder das Recycling von Polyurethanschäumen zu verbessern.
Flexible Laboranlage
Bei der Wahl der Laboranlage waren dem Forscherteam die Automatisierbarkeit, die voneinander unabhängigen Dosierlinien und die individuell einstellbaren Parameter für die bis zu 25 verschiedenen Rohstoff-Komponenten wichtig. „Ein besonderer Pluspunkt der Labofoam ist zudem die patentierte Novaflex-Technologie zur Herstellung von CO2-getriebenen Schäumen, die den Verzicht auf umwelt- und gesundheitsschädliche Treibmittel ermöglicht und bei Laboranlagen einzigartig ist“, betont Prof. Dr. Sergiy Grishchuk. Gleichzeitig hat die Anlage auch einen geringen Platzbedarf. Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten finden auf weniger als 10 m² ausreichend Platz.
Die Anlagensteuerung über die Foamware ist identisch mit der Bedienung von kontinuierlichen Produktionsanlagen. „Mit wenigen Klicks können wir neue Rezepturen mit unterschiedlichsten Komponenten und Additiven erstellen, an die Maschine senden und mit den Tests beginnen“, berichtet Philipp Haag, Doktorand im Team und einer der Labofoam-Bediener. Gegenüber dem Mischen von Hand bedeutet dies einen erheblichen Vorteil in Bezug auf Genauigkeit, Zeitersparnis, Rohstoffverbrauch und Qualität des Schaums.
Schon 65 % biobasierter Anteil möglich
Die Resultate des ersten Einsatzjahres sind vielversprechend. So ist es bereits jetzt möglich, Weichschaum mit einem biobasierten Anteil von rund 65 % herzustellen, ohne Qualitätseinbußen hinnehmen zu müssen. „Ein weiterer entscheidender Aspekt der Labofoam ist, dass sie sich nicht auf die Herstellung von Weichschäumen beschränkt“, ergänzt Prof. Sergiy Grishchuk. Grund genug für die Forscher, auch den Einsatz von organischen Materialien in halbweichen PU-Schäumen oder in Hartschäumen zu untersuchen, wie sie zum Beispiel zur Isolierung in Bauelementen mit Sandwichstruktur verwendet werden. „Ich kann mir auch vorstellen, dass andere Arten von Prepolymeren, zum Beispiel Epoxid-Prepolymere, in der Anlage verarbeitet und untersucht werden“, berichtet Prof. Sergiy Grishchuk.Die Biomat-Projektleiter freuen sich, die Studierenden im Rahmen dieses Forschungs- und Entwicklungsprojektes auf dem Gebiet der Polymerchemie ausbilden zu können und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich an der Anlage mit industrienahen Prozessen vertraut zu machen. Davon profitieren nicht nur die Studierenden, sondern auch zahlreiche Arbeitgeber im Bereich der polyurethanverarbeitenden Industrie, die hohen Wert auf praxisnahe Erfahrungen legen.
Auch für Hennecke bietet der transparente Wissens- und Informationsaustausch mit der Hochschule Kaiserslautern einen wichtigen Mehrwert, insbesondere im Hinblick auf neue Marktanforderungen in Bezug auf nachhaltige Rohstofflösungen.