23.05.2024
Fraunhofer IFAM

Weltweit größter Thermoplast-Flugzeugrumpf geschweißt

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Lesedauer: 9 Minuten.

Mit dem Verschweißen der Längsnähte zweier 8 m langer CFK-Halbschalen mit einem Durchmesser von etwa 4 m hat das Fraunhofer-Institut in Stade in einem Demonstrationsprojekt die Herstellung eines thermoplastischen Flugzeugrumpfsegments erfolgreich abgeschlossen.

Sowohl für die Produktion als auch den Betrieb von Passagierflugzeugen werden dringend klimafreundliche Lösungen benötigt, die zu einer noch weitergehenden Einsparung von Ressourcen beitragen. Neben neuen Antriebstechnologien stehen dabei auch Strukturgewicht und Herstellungsaufwand im Fokus. Beides kann durch neue Bauweisen verringert werden, wie sie insbesondere thermoplastische CFK-Werkstoffe ermöglichen. Erstmalig wurde deshalb in einem Forschungsprojekt ein Rumpfsegment in Originalgröße aus thermoplastischen CFK-Werkstoffen hergestellt, um Machbarkeit sowie ökologische und ökonomische Vor- und Nachteile fundiert bewerten zu können.

Das durch Thermoplastschweißen fertig gefügte MFFD-Flugzeug-Rumpfsegment bei der Fraunhofer-Gesellschaft in Stade. (Foto: Fraunhofer IFAM)

Das durch Thermoplastschweißen fertig gefügte MFFD-Flugzeug-Rumpfsegment bei der Fraunhofer-Gesellschaft in Stade. (Foto: Fraunhofer IFAM)

Neue Flugzeugrumpf-Bauweise

Als Fügeverfahren zum Schließen des Thermoplast-Flugzeugrumpfs wurden zusammen mit dem Projekt-Koordinator Airbus das CO2-Laserschweißen für die linke Längsnaht sowie das Ultraschallschweißen für die rechte Längsnaht ausgewählt. Beide Verfahren bieten den Vorteil des staubfreien Fügens, den die zurzeit verwendeten Nietverfahren nicht besitzen. Allerdings wurden sie bisher weder in der Produktion noch in der Forschung bei so großen CFK-Bauteilen und mit den hier benötigten speziellen Qualitätsanforderungen angewendet. Der Bedarf für ein staubfreies Fügen ergibt sich aus der erstmalig durchgeführten Vorintegration beider Schalen mit einer Vielzahl von ebenfalls schweißtechnisch montierten Struktur- und Systemkomponenten, die ein nachträgliches Entfernen von Staub und Spänen nicht zulässt.

Beigestellt wurde die im Autoklav unter Druck und Temperatur verfestigte Thermoplast-Unterschale aus dem LPA-Projekt Stunning von einem Konsortium aus GKN Fokker, Diehl Aviation, Netherlands Aerospace Centre – NLR und Technische Universität Delft. Die thermoplastische, mittels Tape-Legeverfahren (in-situ-Konsolidierung) hergestellte Oberschale stammt von einem Konsortium aus Premium Aerotec, Airbus, Aernnova und Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt – DLR ZLP.

Beide Schalen beeindrucken insbesondere aufgrund des hohen Grads der Vorintegration, der weitgehend nietlosen Bauweise und der hierdurch erzielten Gewichtsreduktion von 10 % gegenüber dem Status quo. Dabei eröffnet einerseits die automatisierte Vorintegration eine hohe Effizienzsteigerung und örtliche Flexibilität mit Blick auf eine Hochratenproduktion bei gleichzeitiger Kostenersparnis von bis zu 10 %, weil nicht mehr wie bisher alle Bauteile in den geschlossenen Rumpf gebracht und dort unter beengten Verhältnissen manuell montiert werden müssen. Andererseits führt die Gewichtsreduktion der Flugzeugstruktur zu einer verbesserten Treibstoffeffizienz im Betrieb.

Automatisierte Montage-Forschungsplattform

Die MultiFAL-Montage-Forschungsplattform mit eingerüsteten thermoplastischen Rumpfschalen des MFFD in Stade. Gut erkennbar sind die gelben Hexapod-Roboter zum Halten und hochpräzisen Einstellen von Form sowie Lage der Oberschale. (Foto: Fraunhofer IFAM)

Die MultiFAL-Montage-Forschungsplattform mit eingerüsteten thermoplastischen Rumpfschalen des MFFD in Stade. Gut erkennbar sind die gelben Hexapod-Roboter zum Halten und hochpräzisen Einstellen von Form sowie Lage der Oberschale. (Foto: Fraunhofer IFAM)

Zusammen mit dem Partner FFT Produktionssysteme hat die Fraunhofer-Gesellschaft am Forschungszentrum CFK Nord in Stade in dem LPA-Projekt „Multifunctional automation system for Fuselage Assembly Line“ (MultiFAL) die automatisierte Montage-Forschungsplattform für den MFFD inklusive der zentralen Anlagen- und Prozesssteuerung entworfen und errichtet. Andere Projektpartner haben danach ihre Technologiebausteine in die Plattform integriert. Zu den weiteren Aufgaben von Fraunhofer entlang der Prozesskette gehörte zunächst das Einrüsten der Unterschale mittels einer eigens entwickelten Aufnahme, welche es erlaubte, die Unterschale für die Folgeprozesse hochgenau im Montageraum auszurichten. Danach erfolgte das Einbringen der Oberschale mit dem Hallenkran. Alle weiteren Prozessschritte liefen vollständig automatisiert ab. Das submillimetergenaue Positionieren der beiden Schalen zueinander übernahm ein Feld von zehn Hexapod-Robotern, die mithilfe von Laser-Sensoren jederzeit die optimale Form und Lage der Schalen einstellten und bei Bedarf nachjustierten.

CO2-Laserschweißen

Für den Laserschweißprozess waren dünne, bis zu 4,5 m lange Streifen (Butt-Straps) aus thermoplastischem CFK lagenweise und bündig neben- als auch übereinander auf die exakt aufeinanderstoßenden, zur Flugzeugaußenseite hin mit einer Stufenschäftung versehenen Längsränder der Schalen abzulegen. Alle Lösungen zum Zuführen, Positionieren und Kantenversiegeln der Straps erarbeitete die Fraunhofer-Gesellschaft im LPA-Projekt „Butt strap integration technology development with tooling design, validation, implementation in major component assembly and operation“ (BUSTI). Im Ergebnis wurden die von Fraunhofer gefertigten Straps mit einem in die automatisierte Prozessumgebung integrierten Strap-Handling-Werkzeug durch eine Abrollbewegung exakt auf der Naht positioniert, sodass der über Spiegel gelenkte, oszillierende Laserstrahl des unmittelbar folgenden Schweißkopfs kontinuierlich die sich ausbildenden Kontaktlinien von Strap zur Schalenoberfläche aufschmelzen konnte. Eine Druckeinheit am Laserschweiß-Endeffektor presste dabei den Strap mit Fügekräften bis zu einer Tonne gegen die oberen und unteren Schalenfügestellen und konsolidierte so die Schweißnaht im selben Arbeitsgang. Damit die hohen Andruckkräfte beim Schweißen nicht zu einer Beschädigung der Rumpfstruktur führten, lief innerhalb der entstehenden Rumpfsektion synchron eine Vorrichtung zur Kraftaufnahme und -ableitung mit.

Thermoplastischer CFK-Butt-Strap als Verbindung der beiden CFK-Thermoplast-Rumpfschalen (auf der linken Seite), gefügt von dem CO2-Laserschweiß-Endeffektor (rechts, Projekt BUSTI) in der MultiFAL- Montage-Forschungsplattform. (Foto: Fraunhofer IFAM)

Thermoplastischer CFK-Butt-Strap als Verbindung der beiden CFK-Thermoplast-Rumpfschalen (auf der linken Seite), gefügt von dem CO2-Laserschweiß-Endeffektor (rechts, Projekt BUSTI) in der MultiFAL- Montage-Forschungsplattform. (Foto: Fraunhofer IFAM)

Der Laserschweißprozess zeichnet sich durch die Implementierung eines Online-Monitor- und Kontroll-Systems aus, welches einen unmittelbaren digitalen Datenaustausch für die Prozessoptimierung und Qualitätssicherung mit einem Digitalen Zwilling ermöglicht.

Automatisiertes Spaltfüllen

Weil die Straps und die stufenförmig gestalteten Fügezonen der Schalen aufgrund unvermeidlicher Herstellungstoleranzen und für die Positionierprozesse benötigter Freiheitsgrade nicht lückenlos aneinander anschließen konnten, blieben zwischen ihnen kleine, unregelmäßig breite Spalte (Gaps). Diese würden die Qualität der Schweißverbindungen beeinträchtigen und waren deshalb nach dem Schweißprozess vollständig mit einem sogenannten Thermoplastfüller zu schließen, wobei ein Materialüberschuss unbedingt zu vermeiden war.

Ein kompakter Extruder, der – wie der Laserschweiß-Endeffektor – entlang der zuvor erzeugten Verbindungsnähte geführt wurde, erwärmte das Ausgangsgranulat und förderte es über eine Schnecke zum Spalt. Dort sorgte eine spezielle Düse dafür, dass das Material den Spalt füllte, bevor es an der Luft aushärtete. Das für die genaue Füllmenge ausschlaggebende lokale Spaltvolumen wurde unmittelbar vorher von einem in denselben Gap-Filling-Endeffektor integrierten, auf den offenen Spalt gerichteten 2D-Sensor gemessen und an das Extrudersystem übertragen. Damit ließ sich die lokal benötigte Austragleistung während des laufenden Prozesses dynamisch berechnen, sodass unregelmäßige Spalte von 3 bis 20 mm Breite an jeder Stelle mit der exakt erforderlichen geschmolzenen Thermoplastmaterial-Menge gefüllt wurden.

Der Gap-Filling-Endeffektor realisiert das thermoplastische Spaltfüllen mittels Extruder nach dem CO2-Laserschweißen der Butt-Straps auf die Rumpfschalen (Projekt BUSTI). (Foto: Fraunhofer IFAM)

Der Gap-Filling-Endeffektor realisiert das thermoplastische Spaltfüllen mittels Extruder nach dem CO2-Laserschweißen der Butt-Straps auf die Rumpfschalen (Projekt BUSTI). (Foto: Fraunhofer IFAM)

Ultraschallschweißen

Um aus den Forschungsarbeiten möglichst viele für einen späteren Produktionseinsatz wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, wurde als Fügemethode für die rechte Längsnaht das automatisierte Ultraschallschweißen ausgewählt. Im Vergleich zum Laserschweißen können damit nur die dünnwandigeren Rumpfnahtabschnitte außerhalb der Türumgebungen verbunden werden, allerdings ist der Aufwand hinsichtlich Synchronisation parallellaufender Prozesse, Investitionen und Arbeitssicherheit geringer. Aus der Zusammenarbeit der für die Forschungsplattform zuständigen Fraunhofer-Gesellschaft mit dem LPA-Projekt „Welding Equipment for optimized, fast and accurate LongituDinal barrEl joint closuRe“ (WELDER) der Partner CT Engineering Group, AIMEN, AITIIP und Dukane ist ein schneller und verlässlicher, automatisierter Ultrasschall-Schweißprozess für die Längsnaht hervorgegangen.

Endeffektor zum thermoplastischen Ultraschallschweißen aus dem WELDER-Projekt vor der fertigen Schweißnaht unterhalb des Hexapod-Roboterfelds zur hochpräzisen Form- und Lageeinstellung. (Foto: Fraunhofer IFAM)

Endeffektor zum thermoplastischen Ultraschallschweißen aus dem WELDER-Projekt vor der fertigen Schweißnaht unterhalb des Hexapod-Roboterfelds zur hochpräzisen Form- und Lageeinstellung. (Foto: Fraunhofer IFAM)

Wie auch der oben vorgestellte Laserschweißprozess zeichnet er sich durch die Implementierung eines Online-Monitor- und Kontroll-Systems aus, welches einen unmittelbaren digitalen Datenaustausch für die Prozessoptimierung und Qualitätssicherung mit einem Digitalen Zwilling ermöglicht.

Weitere FuE-Arbeiten und erfolgreicher Projektabschluss

Die Arbeiten und Nachweise zum CO2-Laserstrahlschweißen der Straps inklusive des Spaltfüllens sowie das darauffolgende Koppeln der Spante zwischen Ober-und Unterschale durch Widerstandsschweißen im März 2024 durch die Projektpartner des LPA-Projekts WELDER bildeten den Abschluss der Forschungsarbeiten am MFFD im Stader Forschungszentrum CFK Nord.

Nach der bereits Anfang 2021 ebenso erfolgreich realisierten Forschungsplattform im 1:1-Maßstab zur automatisierten Kabinenmontage im LPA-Projekt „Automated Cabin & Cargo Lining and Hatrack Installation Method“ (ACCLAIM) ist der MFFD bereits der zweite Clean-Sky-2-Großdemonstrator mit maßgeblichen Beiträgen der Fraunhofer-Gesellschaft.

Finalisiert wird die bereits ausgekrante thermoplastische Rumpfsektion u. a. mit der Einrüstung eines Kabinendeckenmoduls am Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) in Hamburg, wo sie danach für weitere Tests und für Demonstrationszwecke genutzt wird.

Austakten der fertig gefügten Rumpfsektion auf der eigens entwickelten Unterschalenaufnahme, welche auch für Transportzwecke der gesamten Rumpfsektion ausgelegt ist. (Foto: Fraunhofer IFAM)

Zusammen mit den am Rumpfdemonstrator MFFD gewonnenen Erkenntnissen wird die Fraunhofer-Gesellschaft reife Technologiebausteine einer Industrialisierung durch interessierte Unternehmen zugänglich machen. Andere Technologien bringt sie in nachfolgende Forschungsprojekte ein, um eine noch weitergehende Effizienzsteigerung bei noch geringerem Ressourcenverbrauch in der zukünftigen Produktion zu ermöglichen. Zielstrukturen sind dabei neben Flugzeugrümpfen auch Seitenleitwerke oder Tanksysteme für kryogenen Wasserstoff. Außerhalb der Luftfahrtbranche stehen zudem boden- oder wassergebundene Transportmittel im Fokus eines Technologietransfers.

www.ifam.fraunhofer.de

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