27.03.2023
Engel

Integrierter Thermoplastprozess im Composite-Leichtbau

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Lesedauer: 6 Minuten.

Auf der JEC im April in Paris demonstriert der Maschinenbauer, wie sich sowohl für die Luftfahrt- als auch die Automobilindustrie eine hohe Produktionseffizienz und Wirtschaftlichkeit mit Nachhaltigkeit vereinen lassen.

Mit seiner langjährigen Erfahrung im Spritzgießen und seiner hohen Automatisierungskompetenz entwickelt Engel, Schwertberg (Österreich), wirtschaftliche Fertigungskonzepte für die Herstellung von Composite-Bauteilen in hohen Stückzahlen.

Im Organomelt-Verfahren werden in einem einzigen integrierten Prozessschritt thermoplastische Faserverbund-Halbzeuge – zum Beispiel Organobleche und UD-Tapes – umgeformt und funktionalisiert. Versteifungsrippen oder Montageelemente werden unmittelbar nach dem Umformen im selben Werkzeug mit einem Thermoplast aus der Gruppe des Matrixmaterials des Organoblechs angespritzt. Dies ermöglicht nicht nur einen effizienten und vollständig automatisierten Produktionsprozess, sondern leistet darüber hinaus einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft. Der konsequent thermoplastische Monomaterialansatz vereinfacht das spätere Recycling der Bauteile.

An seinem Messestand in Paris demonstriert Engel das große Potenzial der Organomelt-Leichtbautechnologie mit einem Live-Maschinenexponat. Auf einer Spritzgießmaschine victory 660/160 werden automatisiert mit einem Knickarmroboter easix Revisionsklappen für den Rumpf von Passagierflugzeugen produziert. Die Produktionszelle umfasst außerdem einen IR-Ofen, der ebenfalls aus der eigenen Entwicklung und Produktion von Engel stammt.

Um das breite Einsatzspektrum sowohl im Bereich Flugzeugbau als auch Automobil zu präsentieren, werden während der drei Messetage im Wechsel zwei unterschiedliche Materialsysteme verarbeitet. Zum einen werden Organobleche mit PEEK-Matrix mit einem PEEK umspritzt und zum anderen werden PPA-basierte Organobleche in Kombination mit PPA verarbeitet.

Die holmlose Spritzgießmaschine victory bietet Flexibilität zur Prozessintegration. (Foto: Engel)

Die holmlose Spritzgießmaschine victory bietet Flexibilität zur Prozessintegration. (Foto: Engel)

Die Organobleche werden im IR-Ofen erwärmt, vom Roboter ins Werkzeug eingelegt, dort umgeformt und unmittelbar umspritzt. Es werden Versteifungsrippen sowie ein Montage-Clip ausgeformt.
Das Aufheizen des Organoblechs ist ein zykluszeitbestimmender und zugleich qualitätsrelevanter Prozessschritt. Von der Dicke des Halbzeugs hängen Aufheizdauer und Abkühlzeit ab. Wichtig sind ein schnelles und materialschonendes Aufheizen sowie kurze Wege für den Transport des aufgeheizten Organoblechs zum Formgebungswerkzeug, damit es auf dem Weg dorthin nicht wieder erkaltet und seine Formbarkeit verliert. Hier spielt die holmlose Bauweise der victory-Maschine ihre Stärke aus. Der barrierefreie Zugang zum Werkzeugraum macht es möglich, den IR-Ofen sehr nah am Werkzeug zu platzieren. Zudem kann der Roboter auf kürzestem Weg das Werkzeug erreichen, ohne Störkonturen zu umfahren. Beides beschleunigt das Hothandling und stellt Prozesskonstanz und eine hohe Bauteilqualität sicher.

In integrierten Systemlösungen von Engel sind Roboter und IR-Ofen in die CC300-Steuerung der Spritzgießmaschine integriert. Damit lässt sich der Gesamtprozess zentral über das Maschinendisplay bedienen. Ein weiterer Vorteil ist, dass Spritzgießmaschine, Roboter und IR-Ofen auf eine gemeinsame Datenbasis zugreifen und ihre Abläufe aufeinander abstimmen. In vielen Anwendungen reduziert das die Zykluszeit.

Potenzial in allen Bereichen der Mobilität

Entwickelt für die effiziente Großserienproduktion, hat sich das Organomelt-Verfahren in der Automobilindustrie schnell etabliert, erfährt aber auch aus anderen Bereichen großes Interesse. „Wir bekommen zunehmend Anfragen aus der Luftfahrtindustrie“, berichtet Christian Wolfsberger, Business Development Manager Composite Technologies von Engel. „In der Luftfahrtindustrie werden duroplastische Materialien immer häufiger durch Thermoplaste substituiert.“ Treiber dieser Entwicklung sind unter anderem der Kostendruck und die Nachhaltigkeitsziele. Der thermoplastische Materialansatz ermöglicht ein hohes Maß an Prozessintegration für eine sehr einfache Funktionalisierung der Bauteile, was den Zeitaufwand, den Rohmaterialeinsatz und den Energiebedarf reduziert.

Die im Organomelt-Verfahren hergestellten Revisionsklappen für Passagierflugzeuge sind die Thermoplast-Alternative zur bisherigen duroplastischen Lösung mit angeschraubten Aluminiumfrästeilen. (Foto: Engel)

Die im Organomelt-Verfahren hergestellten Revisionsklappen für Passagierflugzeuge sind die Thermoplast-Alternative zur bisherigen duroplastischen Lösung mit angeschraubten Aluminiumfrästeilen. (Foto: Engel)

Wo üblicherweise verschiedene Materialsysteme und mehrere voneinander unabhängige Produktionsschritte erforderlich sind, braucht Organomelt nur eine einzige integrierte Produktionszelle. Die Revisionsdeckel für den Flugzeugrumpf sind dafür ein gutes Beispiel. Sie werden bislang als duroplastisches Sandwichbauteil mit aufgeschraubten Aluminium-Frästeilen produziert.
Neben einer höheren Kosteneffizienz ist die Reduktion der CO2-Emissionen ein erklärtes Ziel der Luftfahrtindustrie. Das meiste CO2 emittiert ein Flugzeug während der Nutzungsdauer beim Fliegen. Der Hebel innovativer Leichtbautechnologien ist entsprechend groß, vor allem wenn diese – wie das Organomelt-Verfahren, das rein thermoplastische Bauteile hervorbringt – auch dazu beiträgt, den Materialkreislauf am Ende der Bauteillebensdauer zu schließen.

Engel sieht im Flugzeugbau viel Potenzial für das Organomelt Verfahren. Sowohl Strukturbauteile als auch Bauteile für die Passagierkabine werden in immer größeren Stückzahlen benötigt. Weiteres Potenzial eröffnen weltweit die Bereiche Urban Air Mobility, wozu unter anderem Flugtaxis gehören, oder Logistik, wo immer mehr Transportdrohnen eingesetzt werden.

Engel präsentiert die Herstellung der Revisionsklappen auf der JEC World 2023 gemeinsam mit seinem Kunden FACC , Ried im Innkreis (Österreich). Weitere Projektpartner sind Ensinger, Nufringen, Victrex Lancashire (Großbritannien) und Kuraray, Hattersheim am Main, für die Rohmaterialien sowie Neue Materialien Fürth für die Bauteilauslegung und Simulation.

Ein weiteres Partnerunternehmen stellt auf dem Engel-Messestand in einem eigenen Expert Corner aus. Voidsy mit Sitz in Wels (Österreich) präsentiert ein ultra-kompaktes System für die kontaktlose und zerstörungsfreie Material- und Bauteilprüfung mittels aktiver Thermografie.

Geringerer Montageaufwand

Im Organomelt-Verfahren produziert: Die Frontend-Modulträger der neuen Elektrofahrzeuge Air von Lucid Motors. (Foto: Elring Klinger)

Im Organomelt-Verfahren produziert: Die Frontend-Modulträger der neuen Elektrofahrzeuge Air von Lucid Motors. (Foto: Elring Klinger)

Ein weiterer Expert Corner ist Automobilanwendungen mit Organomelt gewidmet. Präsentiert wird unter anderem der mit einem SPE-Award ausgezeichnete Frontend-Modulträger von Lucid Motors. Das Bauteil wird von ElringKlinger, Dettingen an der Erms, im Organomelt-Verfahren in Serie produziert. Der Frontend-Modulträger fungiert je nach Fahrzeugtyp als Träger für den Ladeluftkühler, die Scheinwerfermodule, den Spritzwasserbehälter, das Signalhorn, das Abstandsradar-Modul oder die Luftansaugung. Darüber hinaus stützt er die Motorhaube durch die Anbindung von Haubenschlössern ab.

ElringKlinger ist es gelungen, trotz insgesamt 37 Einlegeteilen, die Anzahl der Vor- und Nachbearbeitungsschritte sowie die Kosten zu verringern. Durch die hohe Funktionsintegration in den Spritzgießprozess entsteht ein geringerer Montageaufwand. Anwendung findet der Frontend-Modulträger im ersten elektrischen Fahrzeugmodell Air des US-amerikanischen Automobilherstellers Lucid Motors.

www.engelglobal.com

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