Der 3D-Druckerhersteller und das auf Additive Manufacturing spezialisierte Forschungs- und Entwicklungszentrum Naddcon verfolgen das Ziel, ein 3D-Druckverfahren als durchgängige digitale Prozesskette von der Konstruktion bis zur Fertigung und dem Post-Processing abzubilden.
Aufgabenstellung der Kooperation von AIM3D, Rostock, und Naddcon, Lichtenfels, war die Einbettung eines klassischen, industriellen Konstruktions-Tools, in diesem Falle dem Siemens NX-Paket. Im NX-Tool finden sich umfangreiche CAD-, CAM- und CAE-Lösungen, wie sie für konventionelle Fertigungen von Bauteilen in der Zerspanungstechnik eingesetzt werden. Naddcon integrierte eine ExAM 255 von AIM3D in das NX-Umfeld, um die 3D-CEM-Anlage als digitale 3D-Bearbeitungsanlage zu erschließen. Dabei ist diese Einbettung von NX nur eine Option von vielen in das offene Maschinenkonzept der 3D-Multimaterialdrucker von AIM3D. Es ergibt sich, wie das Beispiel NX-Tool zeigt, eine alternative Möglichkeit der 3D-Druck-Maschinenbedienung und zur G-Code-Erzeugung. Sebastian Kallenberg, Projektingenieur bei Naddcon, gab dazu Einblicke in die durchgängige digitale Prozesskette eines 3D-Druckverfahrens mit einer ExAM 255 von AIM3D.
Die Brücke zwischen der Maschinen-Firmware von AIM3D und der CAD/CAM-Umgebung von Siemens NX bindet den 3D-Drucker als CAM-Bearbeitungsmaschine ein. NX bietet mit CAD-, CAM- und CAE-Ansätzen dem Konstrukteur ein umfassendes Tool zur Konstruktion und iterativen Optimierung von additiven Bauteilen. Bezogen auf ein gewünschtes Anforderungsprofil können die 3D-Bauteile hinsichtlich Bionik, Freiformflächen, selektiven Dichten (variable Füllstrategien) und Gewichtseinsparungen (z. B. Gitterstrukturen) optimiert werden. Auch können die Fasern für den Kraftfluss optimiert abgelegt werden, was die Steifigkeit oder Elastizität und die mechanische Belastbarkeit definiert. Zudem sind ein Datenbanksystem und leistungsfähige Simulationsmodelle hinterlegt. Dies bedeutet, dass von der Konstruktion bis in die Fertigung der 3D-Druckprozess besser beherrschbar ist, Bauteile optimiert designt werden können und gleichzeitig eine hohe Reproduzierbarkeit erreicht werden kann. Generell kann man sagen, dass NX eine exakte Maschinensimulation ermöglicht. Dies bedeutet konkret: Verfahrgeschwindigkeiten, Extruderleistung und Temperaturen können in Abhängigkeit von der Bauteilgeometrie punktgenau gesteuert werden.Freiformflächenbearbeitung im 3D-CEM-Druck
Ein Stichwort der Freiformflächenbearbeitung lautet Multi-Axis Deposition. Ursprünglich für das Laserauftragsschweißen von DMG Mori entwickelt, wurde das Tool auf FDM/FFF (Schmelzschichtung) erweitert. Im Schmelzschicht-Verfahren werden Bahnen auf eine Fläche aufgetragen. Das Aufbringen der Bahnen erfolgt durch thermische Verflüssigung eines Polymers und kontinuierliches Extrudieren mittels einer Düse, sowie einer anschließenden Erhärtung durch Abkühlung an der gewünschten Position der Arbeitsebene. Der Aufbau eines Körpers erfolgt üblicherweise, indem wiederholt jeweils zeilenweise eine Arbeitsebene abgefahren und dann die Arbeitsebene stapelnd nach oben verschoben wird, sodass eine Form schichtweise entsteht. NX ermöglicht die Erzeugung der Werkzeugbahnen entlang von gewölbten Flächen. Echte 3D-Bahnen, die Ebenen unabhängig erzeugen, werden so generiert. Bei der Anwendung dieser Technologie in der Prozessentwicklung kann hier der AM-typische Treppenstufeneffekt vermieden werden. Das Ergebnis ist eine echte 3D-Kontur eines Volumenkörpers.
Integration in die NX-Umgebung
Sebastian Kallenberg von Naddcon entwarf dazu die Arbeitsschritte anhand eines standardisierten Bauteils aus PA6 GF30 (Demonstrator), welches mittels NX in eine optimierte Konstruktion überführt werden sollte. Am Anfang stand der Aufbau eines Kinematik-Modells des 3D-Druckers durch Integration des CAD-Modells der ExAM 255 in NX, sowie die Definition der Kinematik-Achsen und Festlegung des Maschinennullpunktes. Das Kinematik-Modell ermöglicht die Maschinensimulation der Werkzeugbahnen vor der eigentlichen Fertigung. Dem folgte die Werkzeugbahngenerierung für den Extruder der AM-Anlage. Dabei werden Verfahrwege, basierend auf Bearbeitungsoperationen und der Bauteilgeometrie, erzeugt. Dritter Schritt war die Maschinensimulation der ExAM 255, d. h. Simulation der Werkzeugbahn mit den zugehörigen Achsbewegungen des Maschinenmodells. Materialauftrag und Maschinenkollisionen können hier ebenfalls simuliert werden.
Kernpunkt bildet hier die Programmierung eines Postprozessors zur Übersetzung der NX-Werkzeugbahnen in einen numerischen G-Code, den der 3D-Drucker interpretieren kann. Ein G-Code besteht aus Wegbedingungen (G-Wort) und Zusatzfunktionen (M-Wort), denen jeweils eine Bewegung oder Aktion zugeordnet wird. Die Kombination dieser Befehle ermöglicht es dem 3D-Drucker zu verstehen, welchem Muster dieser folgen muss, um das Bauteil zu fertigen. Bei einem G-Code handelt es sich um eine Sprache zur Programmierung von numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen, welche beim 3D-Druck meist von der Slicer-Software bei der Umwandlung des Entwurfs zur STL-Datei automatisch erzeugt wird. Die Postprozessor-Programmierung ermöglicht maschinenspezifische Justierung zur verbesserten Prozesskontrolle. Bei der Nutzung von NX ist allerdings kein STL-Format mehr nötig, da im Prozess auf Volumenkörper zurückgegriffen wird, die innerhalb von NX erzeugt werden oder aus einem anderen CAD-System als Volumenkörper importiert werden können.
Demonstrator-Fertigung
Die Programmierung wurde an einem Musterbauteil aus PA6 GF30 auf der ExAM 255 ausgetestet. Zunächst erfolgte die Werkzeugbahn-Generierung. Dann erfolgten auf der Anlage Tests zur Identifizierung optimaler Prozessparameter, aber auch von möglichen Fehlern im Post-Prozessor. Der Demonstrator konnte mit NX zahlreichen Optimierungen unterworfen werden. Der Konstrukteur kann Dichten variieren, Gitterstrukturen zur Gewichtsreduzierung integrieren, Schrumpf kontrollieren, Versteifungen vornehmen, Bohrungen verlegen, um das gesamte Bauteil optimiert zu designen und es prozessfähig im 3D-Drucker aufzubauen. Sebastian Kallenberg: „Unser digitaler NX-Ansatz soll die CEM-Maschinentechnik aus der Perspektive der Konstruktions- und Fertigungsvorbereitung besser erschließen. Hier liegen erhebliche Potentiale für Freiformflächen, d. h. echte 3D-Konturen, aber auch bionische Konstruktionsstrategien.“