Zusätzlich zu den Solaranlagen auf dem Dach sind jetzt auch die Fassaden der Produktionshallen damit ausgestattet – für den Kunststoffverarbeiter lohnt sich die Erzeugung von Sonnenstrom. Federführend bei Beratung und Installation war der PV-Spezialist ESS Kempfle.
„Wir wollen möglichst energieautark arbeiten“, sagt Steffen Autenrieth. Der Geschäftsführer der Firma 1A Autenrieth-Kunststofftechnik setzt bereits seit 15 Jahren auf Sonnenstrom. Eine 230-kW-Peak starke Photovoltaikanlage thront seither auf dem Dach der 4.000 m² großen Werkshalle im württembergischen Heroldstatt. Wobei das Kraftwerk erst 2028 Strom für den Eigenbedarf liefert. Bis dahin speist der Mittelständler mit 50 Beschäftigten die Energie ins Netz ein. Vor 20 Jahren war das, verbunden mit staatlich geförderter Einspeisevergütung, der einzige Weg, Strom in Eigenregie regenerativ zu produzieren.
100 Prozent Eigennutzung
Inzwischen hat sich einiges geändert. „Immer mehr Firmen erkennen, dass sie durch Nachhaltigkeit Geld sparen“, verdeutlicht Wolfgang Kempfle. Der Chef der gleichnamigen ESS Kempfle GmbH, Leipheim, weiß um die oft unkalkulierbaren Stromkosten energieintensiver Produktionsfirmen. Für Autenrieth findet der aus bayerisch Schwaben stammende Solarteur daher einen weiteren Weg, um schneller energieautark zu werden. So installiert ESS Kempfle 145 Solarmodule an den Gebäudewänden der Autenriethschen Fertigungshallen – Ausrichtung Süd und West. Der über dieses Fassadenkraftwerk erzeugte Strom fließt nicht ins Netz, sondern direkt in die mehr als 20 Spritzgießmaschinen des Kunststoffbetriebs. Autenrieth findet: „Spätestens mit dem Einstieg in den Emissionshandel sollte jeder Betrieb über den Einsatz regenerativer Energien nachdenken.“ Die Amortisation der Anlage sieht der Württemberger im Spitzenbereich nach sieben Jahren. Denn der Dreischichtbetrieb ist zu 100 % Eigennutzer der Fassadenenergie. Zum Vergleich: Einfamilienhäuser kommen ohne Speicher auf eine Eigennutzung von knapp 40 %.
Verbräuche prüfen
Doch wie genau ermitteln Unternehmen, wann sich ein Einstieg in die Stromerzeugung lohnt. Und vor allem zu welchen Konditionen? Kempfle rät, die eigenen Anlagen und Steuerungen vorab zu messen. Was wird wann genutzt, wie hoch sind die Verbräuche und wo finden sich Sparpotenziale? Viele regenerative Energien ermöglichen nach so einer Prüfung ein Konzept, abgestimmt auf das eigene Unternehmen. Windkraft, Biogas, Photovoltaik, Wasserkraft, Nah- oder Erdwärme sowie Biogas reduzieren Emissionen. Biogas etwa kann Erdgas bei der Wärmegewinnung ersetzen. PV-Anlagen sind bei der Stromerzeugung oft erste Wahl. Zumal nicht direkt genutzter Strom für E-Mobilität eingesetzt werden kann und überschüssiger Strom vergütet wird. Bei Autenrieth etwa blubbert via herkömmlicher 230 Volt-Steckdosen über den ganzen Arbeitstag hinweg Sonnenstrom in drei E- bzw. Hybridautos. Nach und nach soll der acht Fahrzeuge umfassende Fuhrpark umgestellt werden.
PV-Fassadenanlage
Wobei Kempfle weitere Vorteile nennt: Der Sonnenstrom kann helfen, die Wärmeerzeugung im Betrieb zu unterstützen. Etwa, indem er Infrarotheizungen antreibt – oder Wärmepumpen. Der dauerhaft günstig produzierte Strom liegt zudem deutlich unter den aktuellen Marktpreisen. Und vor allem bleibt er über einen Zeitraum von Jahren stabil. Wer den Emissionshandel mitdenkt, erkennt: Produzierende Firmen können direkt sparen durch direkten Verbrauch – oder indirekt durch CO2-Zertifikate, die sie als Erzeuger regenerativen Stroms erhalten und die sie verkaufen können. Was zudem viele Produktionsunternehmen merken: Teil des Umstiegs auf regenerative Energien ist auch die Vermeidung von CO2-Emissionen. Das kann die Betriebskosten erheblich entlasten. Etwa, wenn statt Maschinen mit hydraulischer Technik neue Anlagen angeschafft werden, die mit Elektromotoren betrieben werden.
Emissionshandel
Fakt ist, die CO2-Abgaben bergen ein hohes Kostenrisiko. Die EU sieht vor, CO2-Zertifikate ab 2025 ausschließlich über die Börse zu handeln. Der 2020 ermittelte Preiskorridor pro erzeugte Tonne CO2 ist damit hinfällig. Vor der Energiekrise wurde in der EU diskutiert, die Preise pro Tonne auf 45 EUR zu erhöhen. Mit dem Klimapaket hat die Bundesregierung jedoch 2021 beschlossen, dass die Kosten des klimaschädlichen Gases bei 25 EUR/t liegen. Danach werden die Abgaben schrittweise auf 45 EUR bis 2025 erhöht. Real lagen 2022 die Zertifikatspreise an der Börse dagegen bei 90 EUR, der Mittelwert bei 70 EUR/t.
Beispielrechnung
Als weiteres Praxisbeispiel für ein Photovoltaik-Szenario dient (in der nebenstehenden) Berechnung ein Kunststoffbetrieb mit einem jährlichen Strombedarf von 400.000 kWh. Gearbeitet wird werktäglich. Begrenzender Faktor ist das Dach. Die Firma plant mit einer Leistung von 162 kW-Peak, 71 % des so erzeugten Stroms fließen in den Direktverbrauch. Ein Speicher ist nicht vorgesehen. Beachtlich ist die Amortisationszeit von weniger als sechs Jahren. Die Rechnung geht davon aus, dass der Strompreis jährlich um 2 % linear steigt. Wobei er zwischen 2000 bis 2022 durchschnittlich um 6 % gestiegen ist – pro Jahr.
Qualität vor Quantität
Abschließend ist es wichtig, in die Qualität der Anlagen zu investieren. Besonders im gewerblichen Einsatz überzeugen hochwertige Solarmodule mit ihrer Leistungsfähigkeit und geringen Wartungen – die Leistungsgarantie vieler Hersteller liegt bei mehr als 25 Jahren. Hochwertige PV-Anlagen lassen sich einfach in den Bestand integrieren, außerdem sind die Beschaffungskosten oftmals nicht höher als bei billigeren Modulen. Bei E-Mobilität mit passenden Wärmekonzepten ist auch hier das Know-how mehrerer gefragt. Ein großes Einsparpotential ist definitiv gegeben. Schnittstellen mit mehreren Energieträgern müssen definiert und sichtbar gemacht werden. Dann steht einer Preisersparnis für ein Unternehmen nichts mehr im Wege.