In der Kunststoff- und Recyclingindustrie liegt so einiges im Argen, aber was sich die ARD mit der Ausstrahlung der Dokumentation „Die Recyclinglüge“ erlaubt hat, ist eine schallende Ohrfeige für alle ernsthaft am Wandel engagierten Unternehmen.
In der Kunststoff- und Recyclingindustrie liegt so einiges im Argen – weltweit und auch in Deutschland. Noch immer geht vielen Unternehmen Geld vor grünem Gewissen. Entlang der Wertschöpfungskette scheffeln die Konzerne Milliarden, predigen Wasser und trinken Wein. In manchen Subsegmenten haben sich mafiöse Strukturen gebildet. Begünstigt durch inkonsistente und absurde Gesetzgebung läuft auch bei der Entsorgung und Wiederverwertung von Kunststoffabfällen etliches in falschen Bahnen. Kurzum: Es ist höchste Zeit, dass die Branche ernsthaft umdenkt und umlenkt.
Aber: Was sich die ARD mit der Ausstrahlung der Dokumentation „Die Recyclinglüge“ erlaubt hat, ist ein öffentlich-rechtlicher Offenbarungseid, eine schallende Ohrfeige für alle ernsthaft am Wandel engagierten Unternehmen und ein besonders peinliches Beispiel für Pfusch im Journalistenhandwerk. Denn der „investigative Film“ ist ein übles Gemisch aus nicht belegten Vorwürfen, plump wiedergekäuten Gemeinplätzen und wichtigtuerischer Selbstdarstellung.
“Die Recyclinglüge”
Ein Erzählstrang? Fehlanzeige. Konkludentes Storytelling? Keine Spur. Überzeugende Beweisführung? Totalausfall.
Stattdessen werden, offensichtlich wahl- und konzeptlos, Bilder aneinandergereiht: hier der plastikmüllverschmutzte Fluss in Fernostasien, da der Recyclingbetrieb in Norddeutschland und dort Archivbilder von Hafenanlagen aus der Luft. Ob und was das eine mit dem anderen zu tun hat, erschließt sich auch dem geneigten Zuschauer nicht.
Form geht bei der „Recyclinglüge“ immer vor Inhalt – Effekthascherei ohne Erkenntnisgewinn. Am Ende bleiben 75 Minuten heiße Luft. Kritiker der Kunststoffbranche kommen reichlich zu Wort – nach welchen Kriterien gerade sie ausgewählt wurden, bleibt jedoch rätselhaft. Wortreich und mit viel düsterer Musik hinterlegt werfen die beiden Filmemacher Tom Costello und Benedict Wermter Großkonzernen wie Procter & Gamble und LyondellBasell Skrupellosigkeit aus Profitgier vor. Doch sich zu den Vorwürfen äußern dürfen die „angeklagten“ Unternehmen nicht.
Spätestens hier, beim Verstoß gegen das „audiatur et altera pars“-Gebot, zeigt sich: Der Film ist kein seriöser Journalismus, sondern tendenziöse Kampagne. Das ist schade – und schwach. Denn das Thema an sich ist ernst und hätte eine entsprechend ernsthafte Befassung verdient.