„Für eine letzte Saite suche ich noch den richtigen Kunststoff“, schilderte mir ein Anrufer vor zwanzig Jahren sein Anliegen. Er konstruiere eine Vollkunststoffgeige, erfuhr ich von dem unüberhörbar älteren Herrn […]
„Für eine letzte Saite suche ich noch den richtigen Kunststoff“, schilderte mir ein Anrufer vor zwanzig Jahren sein Anliegen. Er konstruiere eine Vollkunststoffgeige, erfuhr ich von dem unüberhörbar älteren Herrn am anderen Ende der Leitung, es fehle ihm nur noch genau dieses eine Element, und dann sei sein Werk vollbracht.
Bei der „Clarina“ sah ich Polymere als Material der Wahl noch ein, aber bei Streichinstrumenten? Beim Nachbohren stellte sich heraus, dass er von Faserexperten über Compoundeure bis zu Verbänden und Beratern schon die halbe Kunststoffindustrie mit seinem Ansinnen behelligt hatte. „Spinner“ – dachte ich damals, warum braucht es eine Lösung voll in Kunststoff, wo sich Holz über Jahrhunderte bewährt hat?
Sicher fehlten mir seinerzeit Erfahrung und Sicht für Vielfalt und Breite der Anwendung polymerer Werkstoffe, saß ich doch nach dem Kunststofftechnik-Studium erst ein paar Tage am Redaktionsschreibtisch. Trotzdem war es in meinen Ohren seither lange ruhig um Musikinstrumente aus Kunststoff. Umso überraschter war ich heute, als mein Kollege Toralf Gabler mich auf einen Beitrag der immer lesenswerten NZZ stieß: „Wohlklingendes Plastic“ tönt es da aus Zürich, mit vielen Details zu „Musikinstrumenten aus neuen Materialien“.
Wie die Kunststoffgeige des Anrufers von 1995 letztlich ausgesehen hat, ist mir verborgen geblieben. Die Körper der neuen Violinen, Bratschen und Celli jedenfalls werden mit Duroplast und Carbonfasermatten als Verstärkung gefertigt, und ihr Klang lässt sich durch Einarbeitung von Flachs, Hanf und anderen Fasern kontrolliert dämpfen. Mit wissenschaftlicher Unterstützung des Instituts für Textiltechnik der RWTH Aachen wird jetzt ein zerlegbarer Kontrabass entwickelt. Da erkenne selbst ich als Musiker-Laie den praktischen Vorteil der Lösung mit Kunststoff.
Offen bleibt allerdings, ob das Saitenmaterial der Carbon-Instrumente ein anderes ist als bei den Holzversionen oder der seinerzeit projektierten Vollkunststoffgeige.