„Alles schon mal dagewesen“, könnten langjährige Beobachter kommentieren, wenn sie die Schwerpunkte der aktuellen K-Messe und die Aussendungen der ausstellenden Unternehmen und Institutionen sichten. Trotzdem birgt die K 2022 eine Menge Neuigkeiten. Eine Einschätzung kurz vor Messebeginn.
Das Recycling von Kunststoffen war den Trägerverbänden und der Messe Düsseldorf schon 1992 eine eigene Themenpräsentation im Freigelände wert. Einige K-Zyklen lang wurde es vor allem von jenen Maschinenbauern hochgehalten, die seither mit Technologien für Recycling und werkstoffliche Wiederverwertung gewaltig gewachsen sind. Der Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinenbau im VDMA schob das Recycling 2016 als ein Zielgebiet der Digitalisierung und 2019 als konstitutiven Bestandteil einer Kreislaufwirtschaft in der Kommunikation weit nach vorn. Bei der K 2022 steht es bedeutender als je zuvor mit einer Sonderpräsentation des VDMA auch physisch im Herzen des Messegeländes.
Die Elektrifizierung der Produktion stand bereits 2007 als Querschnittsthema durch alle Verfahren der Kunststoffverarbeitung oben auf der Agenda. Sie erwies sich für das Energiesparen als Schwerpunkt der K 2013 ebenso als notwendige Voraussetzung wie für die Digitalisierung – Schlagwort „Industrie 4.0“ –, die der VDMA 2016 mit einer Zweitpräsenz in einem Pavillon herausstellte.
Seit der 2016er Auflage ergänzen die Maschinenbauer die Kommunikation der Kunststofferzeuger in die Branche und ihre Abnehmermärkte, die diese bereits seit den 1950er Jahren ausführen. Zuletzt hat der Erzeugerverband PlasticsEurope Deutschland im Interesse der gesamten Kunststoffindustrie die politische Kommunikation auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene massiv forciert, was auch auf der K 2022 Ausdruck finden wird.
Aussteller- und Besucherzahlen vermutlich unter den Werten von 2019
Die Ausstellerzahl der K 2022 wird gegenüber 2019 um knapp 9 % zurückgehen – von 3.330 auf jetzt 3.050. Mit Stand von Anfang Oktober werden 5 % mehr Rohstoffanbieter und 5 % mehr Dienstleister ausstellen, aber 5 % weniger Maschinen- und Werkzeugbauer und sogar 15 % weniger Verarbeiter von Kunststoff und Kautschuk. Eine Sonderschau mit dem Titel „Plastics shape the future“ sowie der Science Campus als Forum für Wissenschaft und Forschung runden das Angebot ab.
Das Besucherinteresse an der K 2022 insgesamt ist schwer prognostizierbar. Eine auch nur annähernde Wiederholung der Besucherzahl von 224.116 von der K 2019 erscheint auch aufgrund der weltpolitischen und epidemiologischen Situation ausgeschlossen. So werden Besucher aus China auf dieser Messe ebenso wenig zu sehen sein wie aus Russland. Wie sich das Interesse aus dem Inland (2019: 27 % der Eintritte) entwickeln wird, ist nicht minder schwierig abzuschätzen wie das aus wichtigen Auslandsmärkten wie Italien, den Niederlanden, Indien oder der Türkei.
Wie bereits 2019 adressieren besonders viele Exponate der Maschinenbauer stabile Abnehmermärkte wie Medizin und Verpackung. Ausstellungsstücke für technische Wertschöpfungsketten erscheinen weniger präsent. Mehr denn je sind Exponate mit digitalen Tools ausgestattet, vernetzt und durch Systeme mit Künstlicher Intelligenz (KI) aufgeladen. Bei der Durchwirkung von Produktions- und Informationstechnik sind durchaus auch branchenfremde Dienstleister mit ihren Methoden erfolgreich.
Das Ziel einer Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen fordert alle
Die Herausforderungen an die Branche sind vor dem Hintergrund von Klimawandel und Transformationsdruck zur Kreislaufwirtschaft gewaltig. Der Rezyklateinsatz ist zu gering, die Sammelquoten global unbefriedigend, das werkstoffliche Recycling ausbaufähig, das chemische Recycling erst vor dem Pilotstadium und die Versorgung der Wertschöpfungskette Kunststoff mit ausreichend bezahlbarem „grünem Strom“ bei weitem nicht gelöst: Die Transformation der Kunststoffindustrie in eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft bringt Aufgaben mit, die wohl auf Jahrzehnte gewaltig bleiben werden – für alle Branchenzweige.
Dennoch: Jeder kleine Schritt in die richtige Richtung ist willkommen. So müssen wir wohl auch die Ausstellerankündigungen zur K 2022 einordnen. Der Maschinenbau gibt sich auf breiter verfahrenstechnischer Front Mühe, die Einbringung von Rezyklat in neue Produkte aus Kunststoff zu steigern und die Verarbeitbarkeit rezyklathaltiger Werkstoffe zu verbessern. Alle Kunststofferzeuger zeigen neue Werkstofftypen mit definierten Anteilen werkstofflicher Rezyklate und – häufiger noch – massenbilanzierte Typen mit zertifiziert reduziertem CO2-Footprint. Aber: Der Löwenanteil der Portfolien ist von alledem bislang unberührt.
Auch wenn einzelne neue Produkte einen Wandel in Richtung einer Klimawende andeuten, so fatal kann die Leichtigkeit werden, mit der viele Branchenunternehmen in der Kommunikation den Eindruck zu erwecken versuchen, man sei dem Ziel der Klimaneutralität schon ganz nah. Das Wording – oder schärfer gesagt: viele Worthülsen werden der Tragweite der Herausforderungen nicht gerecht, die nur mit großer Ernsthaftigkeit und im Einklang mit den Gesetzen der Physik zu lösen sein werden.